Jetzt war ich das erste Mal bei den offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit, die man schon zwei Tage vorher besuchen konnte. „…Die offizielle Feier zum Tag der Deutschen Einheit findet seit 1990 in der Landeshauptstadt des Landes statt, das zu dem Zeitpunkt den Vorsitz im Bundesrat innehat…“ (Wikipedia). In diesem Jahr ist es Berlin.

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich mit dem 3. Oktober schon seit 28 Jahren, seit seinem Bestehen so meine Probleme habe. Im vergangenen Jahr habe ich versucht, das mal zusammenzufassen: Der 3. Oktober 1990: Es war eine Zeit der Extreme. Es war eine Zeit der Extreme zwischen Euphorie und Überleben. Diese Zeit hat uns geprägt.

 

100DM – Revolution & Konsum: Die Wünsche einer Generation. Ausstellung. https://100dm.de/de/

100DM – Revolution & Konsum: Die Wünsche einer Generation. Ausstellung, Foto by Doreen Trittel

 

Wie sehe ich es heute?

Es ist etwas in Bewegung gekommen. Die Diskussionen rund um Ostdeutschland und die ostdeutsche Geschichte beziehen nun auch mehr und mehr die Zeit nach dem 9. November 1989 bis heute mit ein. Ich hoffe, dass mit fast 30 Jahren Abstand, die Zeit gekommen ist, um offen und konstruktiv über die gemachten Erfahrungen zu sprechen – zu erzählen, zu zuhören und sich auszutauschen. Denn unsere Erlebnisse begrenzen sich nicht nur auf die beiden Pole Stasi und Ostalgie, sondern erstrecken sich auf verschiedene Ebenen dazwischen.

Das konnte ich vor einiger Zeit bei einer Podiumsdiskussion in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin erleben: 28 Jahre Wiedervereinigung – Aufbruch – Umbruch – Ausbruch? Dieser Abend hat mir gezeigt, dass es möglich ist, mehrere Ebenen bei der Diskussion um die aktuelle Situation in Deutschland – in Ost und West – mit Blick auf die letzten Jahrzehnte zuzulassen und bereichernd diskutieren zu können. Diese Veranstaltung wurde live mitgeschnitten. Du kannst sie hier anschauen: Neue Mauern in den Köpfen?…

 

Band der Einheit, Tag der Deutschen Einheit Berlin, https://www.kulturprojekte.berlin/projekt/tag-der-deutschen-einheit-berlin-2018/

Band der Einheit, Tag der Deutschen Einheit Berlin, Foto by Doreen Trittel

 

Die DDR existiert seit fast 30 Jahren nicht mehr, doch sie lebt bis heute fort. Sie hat uns geprägt, sie steckt in uns, in unseren Eltern und Großeltern. Auch die Zeit der Wende nach dem Mauerfall hat mehrere Generationen vor Herausforderungen gestellt, die auch heute noch nachwirken. Die Prägungen können nicht über Nacht zum Einsturz gebracht werden. Dies erfordert eine intensive und schonungslose Auseinandersetzung.

Ein gutes Beispiel ist für mich der Artikel von Daniel Schulz in der TAZ: Wir waren wie Brüder. Im Untertitel heißt es: Unser Autor ist vor Neonazis weggelaufen und er war mit Rechten befreundet. In den Neunzigern in Ostdeutschland ging das zusammen. Und heute? Daniel Schulz schont sich nicht in seinem Artikel, aber nicht nur deshalb ist er lesenswert. Er gibt uns einen Einblick in ein Kapitel der Wende- und Nachwendezeit… Ja, auch dorthin müssen wir schauen. Der Druck von Rechts ist ein gesamtdeutsches Problem, aber der Blick geht im Ostteil auf eine andere Entwicklung zurück, und das dürfen wir nicht außer acht lassen. Die aktuellen Ereignisse machen deutlich: Es wird Zeit! – Rechts ist ebend nicht nur ein Wort…

Gleichzeitig ist es wichtig, immer wieder zu betonen: Der Osten besteht nicht nur aus Rechtsradikalen. Um dies deutlich zu machen hat Stefan Krabbes auf Twitter den Hashtag #derandereosten ins Leben gerufen. Hier erzählen Menschen von ihren Erfahrungen und ihrer Sicht: Der Osten ist bunt. Auch ich habe mich schon mit einzelnen Tweets beteiligt. Davon haben auch die Medien berichtet. Die DW hat zum Beispiel eine Videocollage zusammengestellt, an der auch ich beteiligt bin.

Ein sehr persönliches Interview hat Maria Klitz für ihren Blog mit mir geführt: Aufgewachsen in einem Land, das es nicht mehr gibt. Es hat mir selbst wieder neue Perspektiven aufgezeigt und mein Verständnis erweitert.

 

Tag der Deutschen Einheit in Berlin, Foto by Doreen Trittel

Tag der Deutschen Einheit in Berlin, Foto by Doreen Trittel

 

Ich bin froh, dass ich heute einer persönlichen Einladung (Danke!) gefolgt bin, und so über meinen Schatten springen konnte, um es mal auf diese Art zu formulieren. Denn eigentlich wollte ich heute eine Serie bestehend aus drei Fotografien mit dem Titel „Blühende Landschaften“ zeigen und dazu etwas schreiben… (Mache ich später, in einem anderen Blogbeitrag.) Aber das schien mir nun nicht mehr passend. Nach meinem Besuch der offiziellen Feierlichkeiten, spüre ich das erste Mal so etwas wie eine Versöhnung mit dem Tag der Deutschen Einheit. Ja, es ist vieles schief gelaufen. Ja, es gibt noch viel zu tun. Aber es hat sich etwas in Bewegung gesetzt, das uns weiterbringen wird. Das hoffe ich, und ich werde mit dem, was ich künstlerisch und persönlich aus eigener Erfahrung zu erzählen habe, dazu beitragen.

 

Doreen Trittel beim Tag der Deutschen Einheit in Berlin

Doreen Trittel beim Tag der Deutschen Einheit in Berlin

 

Bei den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit #TDE2018 präsentieren sich verschiedene Akteure. Ich möchte beim #TDE2018Berlin die einzelnen Präsentationen der Bundesländer, die Informationsstände der Gedenkstätten und die vielfältige Kunst empfehlen. Und wie es sich für ein Fest gehört: Es gibt auch gutes Essen und Trinken. Dazu spielt Musik. Nun fehlt nur noch der herbstlich wärmende Sonnenschein über Berlin.

 

Rheinland Pfalz beim Tag der Deutschen Einheit in Berlin, Foto by Doreen Trittel

Rheinland Pfalz beim Tag der Deutschen Einheit, Foto by Doreen Trittel

 

Prost! Auf uns, in Ost & West, in Nord & Süd!

 

Tag der Deutschen Einheit in Berlin, Foto by Doreen Trittel

Tag der Deutschen Einheit in Berlin, Foto by Doreen Trittel