Uns Künstler.innen wird ja oft nachgesagt, dass wir eine besondere bzw. seltsame Spezies Mensch seien. Da kommen einem gleich ein paar Klischees in den Sinn. Künstler sind zum Beispiel chaotisch, narzisstisch, cholerisch, dramatisch, depressiv, exzentrisch, unzuverlässig und launisch. Na, kennst Du diese Zuschreibungen? Kannst Du Dir vorstellen, wie eine gute Zusammenarbeit unter Künstler.innen funktionieren soll?

 

Installation von Mademoiselle Maurice im Bikini Berlin, Foto by hehocra

Installation von Mademoiselle Maurice im Bikini Berlin, Foto by hehocra

 

Schauen wir mal etwas genauer hin.

Oft besuchen wir Ausstellungen, in denen Werke verschiedener Künstler.innen gezeigt werden. Oft werden die unterschiedlichen Arbeiten durch einen Kurator oder eine Kuratorin angeordnet. Doch viele Präsentationen sind meist selbst organisiert. Verschiedene Künstler.innen präsentieren ihre Arbeiten als Gemeinschaftsausstellungen. Hier ist eine gute Zusammenarbeit gefordert. Oft tuen sich Künstler.innen in Gruppen zusammen. Dir fallen sicher gleich ein paar berühmte Beispiele ein: die Brücke, Der blaue Reiter oder ZERO. Auch gibt es zahlreiche Künsterduos oder Künstlerpaare, die in ihrer Zusammenarbeit erfolgreich sind bzw. waren, zum Beispiel Christo und Jeanne-Claude, Pierre et Gilles, Yello oder Eva & Adele. Die Zusammenarbeit unter Künstler.innen geht in Künstlerkolonien sogar noch weiter bzw. tiefer, in dem man zusammen an einem Ort wohnt, sein Leben miteinander teilt, zum Beispiel die Künstlerkolonie Worpswede oder die Künstlerkolonie Ahrenshoop.

Irgendwie scheint es ja doch zu gehen,

dass Künstler.innen gut miteinander zusammenarbeiten können. Das liegt wohl daran, dass Künstler.innen genauso vielfältig in ihren Eigenschaften sind, wie alle anderen Menschen auch. Sicher gibt es auch Künstler.innen, die den allgemeinen Klischees entsprechen. Aber wie in allem, gibt es zwischen den Extremen jede Menge Vielfalt und Zwischenräume. Ich arbeite zum Beispiel sehr gern strukturiert und hab es gern ordentlich, auch wenn es mir nicht immer gelingt und das Chaos auch zu meinem kreativen Tun gehört. Auch fällt es mir schwer, mit Unzuverlässigkeit umzugehen. Schwierig empfinde ich es, wenn Menschen schreien und rücksichtslos um sich schlagen. Dies sind Aspekte, die ich gern meiden würde, aber die ich, wenn sie mir begegnen, als Herausforderung ansehe. Ich hinterfrage vieles, um meinen Blick und mein Tun, um mich persönlich weiterzuentwickeln.

Welche Erfahrungen habe ich in der Zusammenarbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern gemacht bzw. welche mache ich gerade?

Im vergangenen Herbst traf ich auf fünf Künstlerinnen und Künstler, die ich zum überwiegenden Teil noch nie gesehen hatte. Wir kamen zusammen, um am ETBK.Erfolgsteam bildende Künste teilzunehmen. Mehrere Monate arbeiteten wir intensiv zusammen, um uns als Künstler.innen den unternehmerischen Herausforderungen an unsere künstlerische Arbeit zu widmen. Das Programm endete mit der erfolgreichen Ausstellung Mutabor. Wir nutzten die kraftvolle Energie aus diesem Prozess und gründeten unsere Künstlergruppe mit dem Namen „Kontrapunkt“. Die erste selbstorganisierte Ausstellung und eine erfolgreiche Bewerbung für ein Kunstfestival liegen bereits hinter uns. Wir können stolz auf das erreichte sein.

Aber wie schaffen wir das?

Von einem Rezept oder einer Strategie sind wir weit entfernt, wenn es sie denn überhaupt gibt. Ich erkenne an und sehe, dass es bestimmte Voraussetzungen braucht, um gut zusammenarbeiten zu können. Doch ein Patentrezept sehe ich hier nicht. Dafür sind wir Menschen zu verschiedenen und einzigartig. Wie sich unsere Gruppe nach den aktuellen Projekten entwickeln wird, wird sich zeigen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt kann ich sagen, dass wir jeden Tag dazu lernen, dass wir uns soweit eingespielt haben und dass wir mittlerweile unsere Stärken und Schwächen in der Zusammenarbeit gut kennen.

 

Installation von Mademoiselle Maurice im Bikini Berlin, Foto by hehocra

Installation von Mademoiselle Maurice im Bikini Berlin, Foto by hehocra

 

Was macht eine gute Zusammenarbeit eigentlich aus?

Zunächst ist da das gemeinsame Ziel, im Idealfall eine gemeinsame Vision. Dadurch sind wir in der Lage uns mit der Gruppe zu identifizieren, uns einzubringen und uns als Einzelner zurückzunehmen und durchaus auch Kompromisse einzugehen. Im Fokus steht das Zeil, das wir erreichen möchten; bei uns aktuell die Teilnahme an einem Berliner Kunstfestival. Dieses Ziel könnten wir allein nicht erreichen bzw. es wäre viel, viel schwerer. Gemeinsam entwickeln wir eine eigene Kraft, die nur durch die Gruppe möglich ist.

Eine Besonderheit macht uns speziell als Gruppe aus: Wir sind ein buntes Team. Wir verfolgen unterschiedliche, künstlerische Ausdrucksformen (Malerei, Objekte, Fotografie, Installationen u.a.) und wir kommen aus sechs verschiedenen Ländern. Wir wären von selbst nie zusammengekommen, doch der Teilnahme am ETBK.Erfolgsteam bildende Künste verdanken wir diesen wunderbaren Zufall. Denn schon in den ersten Wochen unserer Teamsitzungen erkannten wir bei all unseren offensichtlichen Abweichungen die vielen Gemeinsamkeiten. Uns eint die Kunst und der Umgang mit ihr, die eigenen Unsicherheiten und Zweifel, die Herausforderungen und Möglichkeiten. Dies sind wichtige Bausteine für eine gute Zusammenarbeit: für die Gemeinsamkeiten offen sein, den Blick darauf lenken und gleichzeitig die Vielfalt anerkennen und wertschätzen. Wir pflegen einen respektvollen Umgang mit einander und betrachten uns als gleichwertige Teammitglieder.

Missverständnisse lassen sich nicht immer vermeiden. Aber durch klare Absprachen und deutliche Aussagen lässt sich vieles vermeiden. Reden, immer wieder miteinander reden und sich gegenseitig informieren und auf dem gleichen Sachstand halten,  spielen dabei eine wichtige Rolle. Nicht immer können alle Teammitglieder bei unseren persönlichen Treffen dabei sein. Einzelne Personen übernehmen bestimmte Aufgaben, denn wir können nicht alle alles machen. Das wäre auch nicht  zielführend. Da ist es wichtig, eine offene und transparente Kommunikation zu finden. Das braucht viel Zeit, bringt aber auch unglaublich viel Produktives hervor.

Klar, gibt es Meinungsverschiedenheiten und Konflikte. Als Harmonie orientierter Mensch, wie ich geprägt bin, ist es nicht immer einfach, wenn Schwierigkeiten auftreten. Doch weiß ich, dass sie für die gruppendynamischen Prozesse wichtig sind und sie Veränderungen und Verbesserungen mit sich bringen. Einander zuhören, seine Ansichten verdeutlichen. Es ist wichtig, zum einen sich selbst gegenüber und mit den anderen Teammitgliedern achtsam, wertschätzend und respektvoll umzugehen… ein immer währender Prozess, der auch eine gute Zusammenarbeit ausmacht.

Ich beobachte mich in und mit der Gruppe, um daraus zu lernen, in mich hinein zu spüren und mich weiterzuentwickeln. Es ist nicht immer einfach. Aber sind wir ehrlich, das sind Beziehungen meist nie. Sie sind immer wieder eine Herausforderung, wenn man sich und die Beziehungen verbessern möchte. Dies sehe ich auch als große Bereicherung. Ich habe Menschen kennengelernt und arbeite mit Künstler.innen zusammen, von denen ich es nicht geahnt hätte, dass uns so viel verbindet, dass wir uns gegenseitig bestärken und unterstützen können, dass wir gemeinsam wachsen.

 

Arbeitspause mit Cappuccino, (c) hehocra

 

Ich mag es, bei gemeinsamen Besprechungen gemütlich beisammen zu sitzen und dabei einen leckeren Cappuccino oder Tee zu trinken. Gern bringe ich auch mal Kekse oder ähnliches in die Runde mit. Dies sind Kleinigkeiten, die für mich die Zusammenarbeit versüßen.

Mir persönlich ist auch wichtig, dass ich bei aller guter Zusammenarbeit auch Phasen für mich habe, Phasen, in denen ich eigenverantwortlich für das gemeinsame Ziel arbeiten kann, und dass ich darüber hinaus auch Zeit für meine eigenen Arbeiten habe. Denn ich mag die Abwechslung zwischen gemeinsamen Projekten und dem Abtauchen in meinen eigenen Flow.

 

Ich würde sagen, dass sich die Zusammenarbeit unter Künstler.innen gar nicht so sehr von der Zusammenarbeit anderer Berufsgruppen unterscheidet. Es gibt bestimmte Kriterien, die eine gute Zusammenarbeit kennzeichnen, doch ist jede Gruppe anders und gilt es immer wieder, dafür offen zu sein. Eine gute Zusammenarbeit bedeutet immer wieder dies an sich zu lernen, zu kultivieren und zu verbessern.

 

Was andere über eine gute Zusammenarbeit denken und darunter verstehen, sammelt Angelika Neumann von arts meets business in ihrer BlogparadeWas macht Zusammenarbeit richtig gut?„. Es ist spannend, dieses Thema aus verschiedenen Blickrichtungen zu betrachten. #gutezusammenarbeit

Welche Erfahrungen hast Du gemacht?

 

Installation von Mademoiselle Maurice im Bikini Berlin, Foto by hehocra

Installation von Mademoiselle Maurice im Bikini Berlin, Foto by hehocra

 

Die Fotos hier in meinem Beitrag zeigen eine Installation der Künstlerin Mademoiselle Maurice (Videoporträt) aus dem BIKINI Berlin. Hier ist eine besondere Form der Zusammenarbeit zu beobachten. Während die Künstlerin die Origami-Installation von der Decke hängend gestaltet hat, sind alle Besucherinnen und Besucher aufgefordert, die Flächen auf dem Boden mit eigenen, bunten Faltobjekten zu versehen. Ich stelle mir die Frage, ob dies eine besondere Form der Zusammenarbeit zwischen Künstlerin und Besucher ist und was sie ausmacht… Darüber hinaus ist es auch eine Zusammenarbeit unter den Menschen, die sich mitreißen lassen und an dem Kunstwerk mitwirken. Sie schaffen zusammen etwas besonderes und kreieren etwas sehr schönes… Das werde ich mal weiterdenken und demnächst vielleicht hier darüber schreiben.