„Europa und das Meer – Was bedeutet mir das Meer?“ So lautet das Thema der Blogparade des Deutschen Historischen Museums im Zuge seiner Ausstellung „Europa und das Meer“ in Berlin #dhmmeer Die Blogparade wird von Dr. Tanja Praske unterstützt. Sie sammelt und verlinkt alle Beiträge und hat auch Tipps zur Teilnahme an einer Blogparade. Es sind bereits viele interessante, spannende und vor allem vielfältige Artikel zusammengekommen.
Aktuell denken wir, wenn wir nach dem Meer gefragt werden, an die schreckliche Lage im Mittelmeer. Dies spielt auch in einigen Beiträgen eine Rolle. Danke dafür. Mich machen die Nachrichten sprachlos. Ich finde keine Worte und verzweifle an unserem menschenverachtenden Umgang…
In diesen ausweglosen Situationen hilft es mir, mich auf meine Möglichkeiten hier und jetzt zu besinnen. Mein Motto, einst angeregt durch einen Vortrag des Psychiaters, Psychoanalytikers und Autors Hans-Joachim Maaz im Zuge der Pegida-Bewegungen: Veränderung beginnt bei uns selbst und in unseren Beziehungen. Dies führt mich wieder zu meinem Thema, zu meinen Erlebnissen und Sichtweisen… So vieles können wir aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen. Viele Erfahrungen wurden schon gemacht…
Dann fiel mir ein kleiner Text ein, den ich vor einigen Jahren geschrieben hatte, und der dann in einer meiner Schubladen verschwand. Heute habe ich ihn wieder hervorgeholt. Es ging um die Frage, wie ich die Grenze der DDR erlebte. Das war am Meer… Das Meer, was ich meine, ist die Ostsee. Als Kind, aufgewachsen in der DDR, habe ich hier so manche Ferientage verbracht.
Wie ich die Grenze der DDR erlebte. Am deutlichsten habe ich die Grenze am Meer erlebt, obwohl ich in Berlin direkt in ihrer Nähe wohnte. Aber ich spürte sie an der Ostsee.
Ich erinnere mich an meinen Blick über das Meer, ein Blick, der sich in den unendlichen Weiten verlor… Ich fühlte mich frei, doch hörte die Welt für mich, meine Vorstellungskraft am Horizont auf. Manchmal konnte ich an der Linie, wo sich das Wasser und der Himmel trafen, Land erkennen und stellte mir die Ferne vor. Ohne zu wissen, ob es sich um eine Insel, die zu unserem Land gehörte, handelte, oder um unbekanntes Land, dessen Hauptstadt wir im Geografie-Unterricht auswendig lernen mussten. Für eine 1 haben wir die Länder und die dazugehörigen Hauptstädte Europas fehlerfrei aufsagen müssen, während der Lehrer mit dem Zeigestock über die ausgerollte Landkarte glitt und uns zur Höchstleistung herausforderte.
In den Ferien, die ich oft an der Ostsee verbrachte, stand ich am Strand oder auf der Steilküste und schaute den Schiffen nach, sah, wie sie hinterm Horizont verschwanden. Sie wirkten winzig und nicht real, wie Spielzeugschiffchen im Plantschbecken.
Bei den Spaziergängen am Strand oder auf dem schmalen Trampelpfad der Steilküste hinter Boltenhagen, einem Ort an der Ostsee, hörte nach einiger Zeit Fußmarsch die Welt tatsächlich auf. Ein Zaun aus Holzpfählen, die mit Stacheldraht umwickelt und verbunden waren, begrenzte den Weg. Dahinter lag der Westen, in dem Arbeitslose, Obdachlose, arme, streikende und rücksichtslose reiche Menschen lebten, so sagte man uns.
Nachts spazierten lange Lichtkegel über den Strand, die die ‚unsichtbare‘ Grenze zum Meer bewachten. Zwei Mal habe ich sie ihm Rahmen einer abenteuerlichen Nachtwanderung vom Dünenübergang gesehen.
Habe ich mir darüber Gedanken gemacht? Habe ich gefragt?… Ich war Kind. Es war für mich normal. Das war die Welt, in der ich aufgewachsen bin, in der ich meine Kindheit erlebte.
geschrieben im Mai 2015 / überarbeitet im Juli 2018
Boltenhagen – Der westlichste Strand der DDR (ein Artikel des MDR)
Von der Waffenschmiede zur Ostsee-Urlaubsparadies (ein Artikel der Welt)
Knapp ein Jahr nach dem Mauerfall, 1990 bin ich dann selbst mit einem dieser Schiffe gefahren, mit einer Fähre nach Dänemark und im Jahr darauf nach Schweden – beide Male zum Schüleraustausch. Wie anders sich die Welt sich mir seitdem zeigt und sich mein Blick, mein Denken verändert haben…
Später war die Ostsee lange Zeit ein Sehnsuchtsort für mich… Dort habe ich manche fotografischen und schreibenden Versuche unternommen…
Neben der klassischen analogen Schwarz-Weiß-Fotografie habe ich auch mit Diafilmen experimentiert. Diese wurden dann ’normal‘ wie ein Farbfilm entwickelt. Daraus entstanden diese Farben – Crossentwicklung (Wikipedia).
Auf’s Meer blicken, heißt auch immer, sich selbst begegnen…
Segel am Horizont
Himmel
blau
zähle
die Segel
weiß und rot
am Horizont
Wellen
aus dem Meer
umspielen meine Zehen
küssen den Strand
ziehen sich zurück
nehmen mir den Stand
unter meinen Füßen
Wind
trägt
die Segel
weiß und rot
am Horizont
winken
ohne ein Wiedersehen
(c) Doreen Trittel
Ich fahre sehr gern zur Ostsee und genieße jedes Mal das Wellenrauschen, den Blick ins Unendliche, die fröhlich klingenden Möwenrufe, den Sand unter den Füßen, den Wind um die Nasenspitze… besonders außerhalb der Saison, gern auch, wenn es kalt ist…
Kalt war es auch im vergangenen Winter, als ich das erste Mal seit meiner Kindheit wieder in Boltenhagen war. Vieles hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Die Grenze ist verschwunden und mit ihr die Lichtkegel und die Zäune. Vereinzelte Spuren sind am Land und auch im Wasser noch zu erkennen. Aber das Meer ist geblieben.
Die Blogparade läuft noch bis zum 25. Juli 2018. Du kannst gern mitmachen und eine Facette zum Meer betrachten. Was bedeutet Dir das Meer? Anregungen und genauere Informationen findest Du hier, in der Einladung. #dhmmeer
Liebe Doreen,
danke für deinen Beitrag. Das Meer das ich so liebe, das Meer, unüberwindbar für so viele. In Warnkenhagen (nur ein paar Kilometer von Boltenhagen) haben wir als die Kinder noch klein waren oft Urlaub gemacht. Wie unbefangen ich lange aufs Meer geschaut habe. Das hat sich geändert. Jedenfalls an bestimmten Orten. Das Meer vor Lesbos wird für mich ein anderes bleiben. Dein Beitrag hat mich an einen Text erinnert, den ich 2015 geschrieben habe & den ich jetzt im Rahmen der Blogparade veröffentliche. Danke & liebe Grüße, Ina.
P.s. Kennst du das Buch „Jenseits der blauen Grenze“ von Dorit Linke? Kann ich sehr empfehlen.
Liebe Ina, ich hatte ja schon bei Dir geschrieben. Hab vielen Dank für Deinen Beitrag, der so eindringlich ist. Dankeschön. Ich freue mich, dass ich Dich dazu inspirieren konnte. Das Buch kenne ich nicht, habe ich habe gleich mal geschaut… Liebe Grüße, Doreen
Liebe Doreen,
wie schon Beatrice und Sabine sagten – dein Artikel berührt! Erinnerung – grenzenlos und begrenzt durch das grenzenlose Meer, das wir Menschen wieder willkürlich und herzlos begrenzen. Bist du schon auf die Aktion #Seebrücke aufmerksam geworden? Hier wird genau dagegen angegangen.
Dein Artikel ist so vielfältig mit Gedicht. Das gefällt mir ausnahmslos gut, verbindet sich auch mit anderen Beiträgen, bei denen es politisch zugeht. Der Bezug zur DDR ist jedoch noch nirgends genannt. Danke dir herzlich fürs erneute Mitmachen – nach #KultBlick – bei einer Kultur-Blogparade – deine Gedanken sind immer sehr bereichernd und regen zum Nachdenken an!
Herzlich
Tanja von KULTUR – MUSEUM – TALK
Liebe Tanja,
ich danke Dir für Deine Rückmeldung. Sie regt mich wiederum an.
#seebrücke ja, es ist so wwichtig!
Ich muss gestehen, dass ich noch keinen anderen Beitrag, bis auf ein paar Überschriften, ddieser Blogparade gelesen habe. Das werde ich nun nachholen, jetzt wo meiner fertig und online ist 😉
Herzliche Grüße und alles Liebe,
Doreen
Liebe Doreen,
Deine Bilder und Texte berühren mich sehr.
Ich habe auch viele Sommer an der Ostsee verbracht und habe ganz wunderbare Erinnerungen daran.
Und denke auch voller Dankbarkeit an die gemeinsamen Reisen mit meiner Mutter nach dem Mauerfall an die Orte ihrer Kindheit auf Rügen. Ich bin sehr froh, dass sie dass noch erleben konnte und ich mit ihr; denn ich kann mich auch noch erinnern, wie große Sehnsucht sie nach der alten Heimat hatte.
Liebe Grüße
Beatrice
Liebe Beatrice, eine Reise zu den Orten der Kindheit, gemeinsam… Das ist ein wichtiger Schatz. Schön, dass Ihr das machen konntet. Ich habe die ein oder andere Reise noch vor mir. Liebe Grüße, Doreen
Das vermeintlich grenzenlose Meer…immer wieder stolpere ich über den Gedanken, dass es für viele genau das nicht ist…aufgrund politischer, wirtschaftlicher Verhältnisse nicht sein darf…
Danke, liebe Sabine. Deine Worte rühren mich zu Tränen. Sie bringen gerade etwas entscheidendes, für mich, auf den Punkt.
Wie schizophren… Das Meer ist grenzenlos. Wir Menschen ziehen Grenzen, zunächst unsichtbar, aber dann spürbar… Am Meer… Im Meer… Und das Meer? Wie ihm geschieht…