Vor siebenundzwanzig Jahren. Es war ein Morgen wie viele andere Morgen zuvor auch. Ich ahnte nicht, dass sich die Welt um mich radikal verändern würde. Ich war sechzehn Jahre alt.
Der 9. November 1989 ist ein Datum, das sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt hat. Jede, jeder, der diesen Tag und dieses Ereignis bewusst erlebt hat, wird sich daran erinnern, wo sie war, wie er vom Fall der Mauer erfahren hat. Meine Erinnerungen hatte ich schon einmal festgehalten: 9./ 10. November 1989 – persönliche Erinnerung. Na, tauchen bei Dir auch gleich Erinnerungen auf?…
Heute, 27 Jahre später, ist diese Vergangenheit für mich immer noch aktuell und erfährt sie eine größer werdende Bedeutung. Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zeigen mir, wie viel es aufzuarbeiten gilt. Der Osten, das sind nicht nur Stasi und Rotkäppchensekt, nicht nur schwarz und weiß. Dazwischen gibt so viele individuelle Erfahrungen, die wahrgenommen werden wollen. Es gibt immer noch viele Fragen und Unklarheiten. Es gibt immer noch Dinge, die ich entdecke, Gefühle, die ich hinterfrage. Die DDR hat nicht nur das Leben der Menschen geprägt, die sie noch bewusst erlebt haben, sondern sie prägt auch die nachfolgenden Generationen…
Kennst Du das auch, dass es Dinge gibt, die Du einfach tun musst, weil irgend etwas in Dir sagt, dass Du sie tun musst? In den letzten Wochen hat sich mir sehr deutlich gezeigt, dass meine ostdeutsche Vergangenheit und deren Prägungen, die ich dadurch erfahren habe, einen wesentlichen Schwerpunkt meiner künstlerischen Arbeit bilden. In Ansätzen haben ich schon Installationen und Storys in der Kombination von Texten, Fotografien und Erinnerungsstücken entwickelt, aber es geht weiter und es geht tiefer. Mit meinem Wissen heute und meinen Erfahrungen aus den letzten 27 Jahren betrachte ich meine Kindheit und Jugend aus einem gänzlich anderen Blickwinkel. Ich nehme wahr, wie Ost und West miteinander umgehen. Ich beobachte, welchen Einfluss die DDR heute noch hat… Immer wieder fragen, immer mehr erfahren. Viele meiner Erinnerungen wurden in den letzten siebenundzwanzig Jahren sozusagen durchgepustet. Das hat mir gezeigt, dass wir es selbst in der Hand haben, worauf wir unseren Blick richten, ob wir in der Vergangenheit verhaftet bleiben oder uns der Veränderung und dem Wachstum zuwenden…
Dies waren heute ein paar Gedanken und Zeilen von mir zu diesem Tag, dem 9. November, der für mich als ‚Tag des Mauerfalls‘ einen bedeutenden Teil meines Lebens und unserer Gesellschaft ausmacht. Gleichzeitig siehst Du hier ein paar Fotografien, die einen kleinen Einblick in aktuelle Arbeiten geben, sozusagen ‚work in progress‘ sind.
Ich wünsche Dir einen guten Tag mit Deinen Erinnerungen an diesen Tag.
Das Datum wurde bei mir vom US-Wahlergebnis einen halben Tag lang geradezu verschüttet… Ja, die Geschichten, die jeder einzelne individuell erlebt hat, sind spannend, ich war damals schon 35, habe also weiterreichende Erinnerungen ins „Davor“ als du. Vielleicht wachsen wir gerade auch, weil wir diese Wurzeln haben und sie nicht herausreißen aus unserem Leben. Lieben Gruß Ghislana
Mir ging es heute ähnlich. Ein seltsamer Tag… Ja, dieses Datum steht wahrlich für ein ‚Davor‘ und ein ‚Danach‘. Unsere Wurzeln… So habe ich es noch gar nicht gesehen. Ein schönes Bild. In diesem Sinne wachsende Grüße zu Dir, Doreen