Es ist bestimmt schon zehn Jahre her. Da war plötzlich der Titel für eine künstlerische Arbeit in meinem Kopf und setzte sich fest: „Die Ketten meiner Oma“. Das war, als ich einen Korb mit einigen verschiedenen Ketten meiner Oma bei der Auflösung der Wohnung an mich nahm. Im Frühjahr 2014 postete ich mit diesem Titel ein Foto auf Instagram. Aber dann geschah nichts… Ich suchte immer mal wieder nach einer Idee der künstlerischen Umsetzung, nach einer Idee, mit der ich diese Ketten verarbeiteten könnte. Doch mir fiel über die Jahre nichts Stimmiges ein. Das war mitunter frustrierend. Aber ich hatte auch die Zuversicht in mir, dass die Zeit kommen wird…
Nicht unnütz oder wertlos bin ich ins Dasein gestellt,
sondern als Glied einer langen Kette, Brücke zwischen Menschen und Generationen.
(aus einem Nachruf)
Einige Entwicklungsschritte musste ich nehmen und bewältigen, bis es am Anfang diesen Jahres soweit war: Die Idee für eine Serie! Plötzlich war sie da. In meinem Kopf hatte ich ein konkretes Bild… Mit diesem Projekt bin ich, die längste Zeit, wenn ich es richtig im Blick habe, schwanger gegangen. Es bestätigt sich: Alles hat, alles braucht seine Zeit. In den letzten Monaten habe ich mit den Ketten meiner Oma gearbeitet und mich trotz der Bilder im Kopf vom Tun leiten lassen.
Alles hängt normalerweise zusammen, wie die Glieder einer Kette,
und alles ist zum Besten bestellt.
(Voltaire, 1694 – 1778)
Die Ketten aus dem Familiennachlass verstehe ich nicht nur als schmückendes Element. Sie symbolisieren die unbewusste und oft schwer erkennbare Verbundenheit über die Generationen hinweg. Vieles ist verdeckt und nicht sichtbar. Trotzdem ist es da und hat mit uns zu tun, was auch immer das ist. Unsere Aufgabe heute ist es, den vererbten Gefühlen Raum zu geben und zu erkennen, dass die Ketten nicht zu unserer Generation gehören, dass es Zeit ist, diese abzustreifen, in dem wir sie erkennen und verstehen. Dies ermöglicht einen persönlichen und gesellschaftlichen Wandel. Davon bin ich überzeugt.
Mitunter ist es auch notwendig, die Ketten zu sprengen. In meiner Auseinandersetzung habe ich den Kontext für die Ketten aus meiner Familie verändert. Sie sind jetzt ein fester und Titelgebender Bestandteil meiner neuesten Arbeit. Die Ketten haben mir geholfen, etwas auszudrücken, was sich schwer in Worte fassen lässt.
Es ist eine Kette, die von Gott ausgeht, und alle Wesen vom Weltall bis
auf jeden Staub in Verbindung hält; alles ist verknüpft; hin und wieder finden wir
einige Glieder der Kette, aber das meiste ist in Dunkel gehüllt.
(Johannes von Müller, 1752-1809)
Auch wenn ich nicht an einen Gott glaube, so fühle ich mich dennoch mit einer Kraft verbunden, die alles verbindet.
Wunderbar verbunden fühle ich mich auch mit den Bloggerinnen, die das Thema „Ketten bzw. Ketten sprengen“ auch in eigenen Blogbeiträgen behandeln. Im Austausch miteinander kamen online und offline verschiedene Ketten auf. Plötzlich lösten sich buchstäblich welche auf, Perlen kullerten über den Boden… Unterschiedliche Sichtweisen, Interpretationen und Geschichten kamen zu Tage…
Astrid Grövert regt dazu an, unsere Stimme zuhören: Sprenge die Ketten! Vertrau deiner Stimme …
Daniela Heggmeier hat für uns zuversichtliche Sichtweisen und hilfreiche Tipps in Zeiten der digitalen Veränderung: Ketten sprengen: Selbst-PR analog, digital und hybrid
Gaby Regler bietet konkrete Schritte im Zuge der MeToo-Debatte: Ketten sprengen: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht länger hinnehmen.
Angelika Neumann betrachtet die Frage nach dem Du und Sie im respektvollen Miteinander: Ketten sprengen? Du, Frau Müller…
Du kannst das Thema gern aufgreifen und auch einen Blogbeitrag dazu schreiben. Wir freuen uns, wenn Du uns Deine Assoziation, Deine Erfahrung zum Thema „Ketten/ Ketten sprengen“ mit uns teilst.
Das große Gesetz ist Liebe.
Sie ist die wirkende Kraft,
Mittel zur Umwandlung,
Kette der Einswerdung.
(Karl von Eckartshausen, 1752 – 1803)
In diesem Sinne sende ich Dir liebe Grüße, Doreen
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Liebe Doreen, das ist ein sehr schöner Text. Deine Kettenbilder machen mich neugierig, die Zitate nachdenklich. Ich habe auch eine Kette von meiner Oma aus Bernstein. Und meine ersten Collagen sind aus den gesammelten Kosmos-Heften meines Opas entstanden. Liebe Grüße schickt dir, Ina,
P.s. Manchmal wäre ich gern Entfesslungskünstlerin. Vielleicht ist es das, was wir mit unserer Kunst versuchen?
Liebe Ina, oh ja, dieses Gefühl kenne ich, versuchen zu entfesseln… Das war in einer Arbeit letztes Jahr irgendwie so mal Thema in einer Arbeit von mir. Deine Collagen klingen sehr interessant. Hast Du sie mal gezeigt? Ich werde noch von der Ausstellung berichten und Fotos zeigen. Nun lasse ich das wunderbare Wochenende nachklingen… Luft holen 😉 Herzliche Grüße, Doreen