Oft fragen sich Leute, wenn ich von meinem Anliegen, von meinem Atelier für Erinnerungen erzähle: Warum beschäftigst du dich mit Erinnerungen?

Diese Frage taucht auch bei mir immer mal wieder auf und Antworten formulieren sich…

Doch dann kam ich zu der Erkenntnis, dass nicht die Frage, Warum ich das mache? die Antwort liefert, sondern die Frage: Wozu beschäftige ich mich mit Erinnerungen?

Es gab Zeiten, da habe ich es als schwere Last empfunden, mich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Auch in mir waren die negativen Gedanken. Und dann begegneten mir ringsum Ratgeberbücher und Artikel zum Thema loslassen und aufräumen und ausmisten und Leichtigkeit 😉
Doch seit meiner Idee für das Atelier fühlt es sich für mich leicht an. Denn für mich ist deutlich geworden, dass die Vergangenheit für mich nicht ohne die Gegenwart und ohne die Zukunft geht. Erst dieser Zusammenhang macht für mich den Weg, meine Sicht, ja mein Leben aus. Als wenn ich ein Puzzleteil nach langem Suchen gefunden habe, so fühlt es sich an. Es passt jetzt zusammen. Und darin ist ganz viel Loslassen und Leichtigkeit. Und wo ich so in den letzten Tagen, angeregt durch Deine Zeilen, darüber nachgedacht habe, wurde mir auch klar, dass ich nicht in der Vergangenheit lebe, sondern: Ich lebe mit meiner Vergangenheit. Für mich selbst ist die künstlerische Auseinandersetzung auch ein Verarbeiten und Loslassen.

Eine Künstlerin aus Bremen, mit der ich vor einigen Monaten ins Gespräch gekommen bin, ist fasziniert von meinem kreativen Tun, aber auch gleichzeitig sehr erstaunt, wie ich als junger Mensch (Sie ist über siebzig.) mich überhaupt mit der Vergangenheit so interessiert und begeistert auseinandersetze. Sie kenne dies garnicht. In ihrem Leben ging es immer mit aller Energie um das Jetzt. Das kann ich dagegen nicht so richtig nachempfinden, weil ich es so nicht kenne.

Ich denke auch, dass ich meinen Hang zur Vergangenheit zum Teil von meinem Vater ‚geerbt‘ habe. Wir teilen unser Interesse für unsere Familiengeschichte, wir sammeln und bewahren beide gern. …

Dann gibt es Erinnerungen bzw. Themen, die sich immer wieder in mein Jetzt drängen. Und um Weiterzukommen, ist es für mich wichtig, mich mit Vergangenem auseinanderzusetzen, so dass es seinen Platz im Morgen finden kann. Und immer wieder tauchen da meine Erinnerungen aus meiner Kindheit in der DDR auf. Auch die Umbruchszeit, die Wende ist noch ein Thema, was immer wieder da ist. Vor vielen Jahren habe ich mal in einem interessanten Spiegelartikel die Bezeichnung „Deutsche/r mit sozialistischem Migrationshintergrund“ gelesen. Ich finde dies so treffend, so dass ich mich selbst seitdem auch so sehe. Ich bin in einer anderen Gesellschaft, als die, die wir heute erleben, bzw. als die, von der ein Großteil der Deutschen erzählt, groß geworden bzw. aufgewachsen. Jeder hat seine ganz persönlichen Erfahrungen gemacht. Und ich interessiere mich sehr dafür. Mir ist es gleichzeitig sehr wichtig, auch von meinen Erfahrungen zu erzählen. Für andere, um sich vielleicht darin wieder zufinden, oder um sich selbst zu erinnern oder um seinen eigenen Blick weiten zu können…

Gestern * Heute * Morgen

Wir sind die Summe unserer Erfahrungen. (Preutice Mulford)

Erst die Summe unserer Erinnerungen, die schönen und die traurigen machen uns zu dem, was wir sind. (unbekannt)

Ich denke, alles hat seinen berechtigten Platz in uns: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

 

 

Vermisse ich etwas? Suche ich etwas in der Vergangenheit, was ich heute vermisse, was ich mir zurück wünsche?

Mir geht es nicht darum, dass ich etwas vermisse, dass ich an bestimmte Punkte zurück möchte oder dass ich vor lauter Erinnerungsgekrame nicht im Heute leben kann. Es geht mir darum, zu reflektieren, zu bewahren, loszulassen.