Möchtest Du wissen, wie meine Zeilen zum Thema Sterben im vergangenen Beitrag entstanden sind, was ich mir dabei so gedacht habe? Der Beitrag: Sterben ist ein hässliches Wort. Dann plaudere ich heute mal aus meinem Nähkästchen

Der Ort, an dem ich mich dem Sterben poetisch näherte, war ein Café. Ich war dort mit meiner Tochter, online Mütze genannt. Wir gönnten uns eine Pause bei Tee und Cappuccino mit einem Stück Kuchen. Dies eine wunderbare beispielhafte Sitaution, wie ich sie mir den Umgang mit den Themen Sterben, Abschied, Tod und Trauer wünsche. Es ist normal, mitten im Leben über das Sterben zu reden, in einem Café zum Beispiel, mit Freunden, mit dem Partner, mit Kindern…
Dies ist auch das Anliegen von Annegret und Petra mit ihrem Totenhemd-Blog. Sie starteten eine Aktion, mit der sie aufgerufen haben, sich dem Sterben poetisch zu nähern. Dafür sammelten sie vorab verschiedene Worte.

 

Wörter-Pool aus dem Totenhemd-Blog, Foto by hehocra

Wörter-Pool aus dem Totenhemd-Blog, Unterstreichungen und Foto by hehocra

 

Aus diesem Pool sollte man sich 2-3 Worte heraussuchen und mit ihnen arbeiten. Ich hatte mir die wahllose Auflistung ausgedruckt und mit ins Café genommen. Ich schreibe gern an verschiedenen Orten, zum Beispiel im Café, auf der Parkbank, auf Reisen, in Warteschleifen, auf dem Sofa und ja, auch mal im Bett. Bei diesen Gedicht ist mir aufgefallen, dass ich diese, wie früher auch, gern mit Zettel oder Notizbuch und Stift (am liebsten Füller) schreibe. Blogbeiträge dagegen gehen mir inzwischen am einfachsten mit dem Laptop  von der Hand. Notizen und Ideen sammle ich auch weiterhin gern analog.

Ich habe schon lange nicht mehr mit Worten lyrisch gespielt. Es gab mal eine Zeit, da habe ich überwiegend geschrieben: Gedichte und kurze Prosatexte. Auch an Lesungen habe ich teilgenommen. In den letzten Monaten faszinieren mich Worte wieder mehr und mehr und ich lasse sie in meinem kreativen Tun einfließen.

 

Schreiben im Café; Foto by hehocra

Schreiben im Café; Foto by hehocra

 

Da saßen wir nun im Café, Mütze und ich. Vor uns Cappuccino und Tee, ein Stück Kuchen, daneben etwas zum schreiben und der Zettel mit den Worten. Mütze malte schon fleißig auf einem Blatt und mit bunten Stiften. Ich schaute um mich und ließ meine Gedanken um das Wort Sterben wandern.

Dann fragte ich Mütze: „Wie findest du das Wort ‚sterben‘?“ Sie antwortete: „Sterben, das ist ein hässliches Wort.“ Ich las einige Wörter aus dem Pool vor. Wir waren auf der Suche nach einem lustigen Wort. Bei vielen schmunzelten wir oder amüsierten uns, andere waren schön. „Scheiße“, das war auch ein Wort, was sie lustig fand. Ich wählte dies für mein Gedicht. Denn manchmal gibt es Situationen, da ist alles einfach richtig scheiße und da muss man das auch mal aussprechen können. Das vermittle ich auch Mütze.

Ich verbiete Worte nicht, aber ich möchte sie zu einem achtsamen Umgang anregen. So kamen wir darauf, dass man denken kann, was man möchte, dass niemand die Gedanken sehen oder hören kann. Das Lied „Die Gedanken sind frei“ fiel uns ein. Die Vorstellung, in der Schule still und heimlich denken zu können, was sie möchte, fand Mütze wunderbar. Ich denke an eine Strophe dieses Liedes „…nun will ich auf immer den Sorgen entsagen… man kann ja im Herzen stets lachen und scherzen und denken dabei: die Gedanken sind frei…“ Sie vermittelt wunderbar, dass wir unsere Gedanken selbst bestimmen können, dass wir uns nicht in Alltagssorgen und -abläufen verlieren müssen. Wir haben es in der Hand unsere Sicht auf die Dinge zu ändern.

Dann fragt mich Mütze ob sie später auf eines der Spielgeräte im Einkaufszentrum gehen darf. Ich mag diesen Playground nicht und bin froh, dass Mütze hier schon herausgewachsen ist. Prompt bekomme ich die Bitte zu hören, dass sie noch ein letztes Mal in ihrem Leben mit einem der kleinen wackelnden Autos fahren möchte. Diesem Argument kann ich nicht widerstehen. Ich erlaube es ihr. Vorfreude auf den Nachmittag.

 

Wörter-Pool vom Totenhemd-Blog, Unterstreichungen und Foto by hehocra

Wörter-Pool vom Totenhemd-Blog, Unterstreichungen und Foto by hehocra

 

Dann schaue ich wieder auf den Wörter-Pool und spiele weiter. Bei Paradies finde ich die Vorstellung, im Paradies zu leben, nicht sehr verlockend. Ich stelle mir seliges Dauerglück langweilig vor. Sind es doch gerade die Tiefen, in denen wir wunderbares entdecken, die uns voranbringen, die uns wachsen lassen. Es ist immer wieder eine Herausforderung, oft nicht einfach, aber ich übe mich darin und versuche das Leben in allem auszukosten.

Mit Blick auf die Endlichkeit unseres Lebens und auf den Prozess des Sterbens, finde ich das Aufräumen wichtig. Eine Künstlerin regt mich immer wieder durch ihr Tun und ihre Gedanken dazu an, mich damit schon heut zu beschäftigen. …auch die Erfahrungen, als ich das Haus meiner Großeltern mit ausräumte, als mein Vater im Koma lag und alles ungewiss war… Gegenstände, die früher meinen Großeltern- und Urgroßeltern gehörten… Was bleibt? Was möchte ich, das von mir bleibt? Dies brachte mich zum Beispiel dazu in den letzten Monaten, alte Briefe zu entsorgen. (Früher habe ich jede Zeile aufgehoben.)

In den letzten Jahren hat sich meine Sicht auf die Endlichkeit des Lebens, den Tod verändert. Zum einen haben mich Kinderbücher als auch spirituelle Sichtweisen inspiriert. Am Grab meiner Schwiegermutter hörte ich das erste Mal die Geschichte der Zwillinge, die sich im Mutterleib unterhalten. Das eine Baby möchte dort bleiben, wo es ist. Es hat Angst vor der Veränderung. Sie wissen nicht, was kommt. Das andere Baby ist voller Neugier und Vertrauen. (Die Frage des Urheberrechts scheint hier ungeklärt, daher verlinke ich nicht zu dieser Geschichte. Aber sie lässt sich gut finden und im Netz lesen.)

Ich merke, dass es wichtig ist, sich mit diesen – oft als unbequem empfundenen – Themen auseinanderzusetzen. Wir kommen nicht daran vorbei und wegschieben hilft nicht. Den Blick darauf richten, das ist mein Weg, den ich versuche, mutig zu gehen.

 

Im Café mit dem Wörter-Pool vom Totenhemd-Blog; Foto by hehocra

Im Café mit dem Wörter-Pool vom Totenhemd-Blog; Foto by hehocra

 

Das war jetzt doch ganz schon viel. Ich danke Dir, dass Du meinen Gedanken gefolgt bist.

Nachdem ich im Café die Worte aus dem Gespräch mit Mütze und meinen Gedanken heraus notiert hatte, habe ich sie zu Hause am Bildschirm in eine Form gebracht, umgestellt, neu formuliert, gestrichen und angeordnet.

Die Bilder zeigen Ausschnitte aus einer Collage, die ich gemacht hatte, als jemand in meinem Umfeld starb. Ich versuchte, dies in einem Bild umzusetzen. Doch ich fand es nicht gelungen. Zeigt die Collage eher die Phase des Träumens, aber nicht des Sterbens. Aber es ist auch ok. Das kreative Tun hat mir damals geholfen, mit meinen Gefühlen und den Tagen voller Abschiedsschmerzen umzugehen. Heute betrachte ich die Farben, die ich sehr mag und in denen ich mich gern mit meinen Augen, meinem Gefühl abtauche.

 

Träumen, Collage, (c) hehocra

Träumen, Collage, (c) hehocra

 

Ich wünsche Dir einen farbenfrohen Tag und sende Dir sonnige Grüße, Doreen

 

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Zum kreativen Schreiben, als Anregung und Inspiration empfehle ich das Buch „Schreiben in Cafés“ von Natalie Goldberg.