Das Zeit Magazin widmet sich jetzt in einer Reihe mit dem Titel „Die ersten 25 Jahre“ den letzten 25 Jahren nach dem Fall der Mauer und der gesamtdeutschen Wiedervereinigung. Den Auftakt machen eine Reihe von interessanten Texten von sehr jungen Ostdeutschen bzw. im Osten nach dem Mauerfall Geborenen: „Tut doch nicht so, als sei alles in OrdnungOstdeutsche gibt es nicht mehr, heißt es, die Jungen seien längst gesamtdeutsch. Wirklich? Neun Ostdeutsche schreiben über eine Herkunft mit Hindernissen.“

Meine ostdeutsche Vergangenheit ist für mich ein Thema, mit dem ich mich immer wieder auseinandersetzte. Ich war Teenager, als die Mauer fiel. Bei meinen Kindheitserinnerungen, die eben eng mit der DDR verbunden sind, geht es für mich vor allem um meine eigene Identität und meine Wurzeln. Wo komme ich her? Was hat mich wie geprägt? Welche Rolle spielt meine Kindheit in diesem Land, was es nicht mehr gibt, in meinem Leben heute? Und wann erlebt man das schon mal? Ein Land, das so plötzlich verschwindet? Mit diesen und anderen Fragen setzte ich mich nicht nur in Texten sondern vor allem in meiner Kunst auseinander.

 

Wende, Fotocollage, Detail, 2016 (c) Doreen Trittel

Wende, Fotocollage, Detail, 2016 (c) Doreen Trittel

 

Interessant ist auch, dass das Ost-West-Thema für mich erst zum Thema geworden ist, als ich nicht mehr in Berlin war. Das fing mit einem längeren Aufenthalt in Luxemburg Ende der Neunziger an und setzte sich mit meinem Umzug nach Saarbrücken und einem mehrwöchigen Aufenthalt in Brüssel vor zehn Jahren fort. Denn irgendwann kam ich immer an den Punkt, wo ich merkte, ich bin anders, ich habe andere Erinnerungen und Erlebnisse, die ich dort mit niemandem teilen konnte. Ich war die Exotin. Ich lebe schon wieder viele Jahre in Berlin (im Westteil), aber das Ost-West-Thema hat mich nicht mehr losgelassen. Ich tue mich immer schwer damit, mich in Veröffentlichungen zum Thema wieder zu finden? Das ist dann eine Frage der persönlichen und individuellen Erinnerungen und Sichtweisen. Mit den viel in schwarz-weiß dargestellten Berichten kann ich selbst nichts anfangen. Mich interessiert das Graue dazwischen, das Graue, was ich selbst auch erlebt habe.

Und dann stelle ich mir auch die Frage, wie ich meiner Tochter eines Tages berichten werde, wie das so war in der DDR. Was wird sie fragen? Wie wirkt meine Vergangenheit und die meiner Eltern und Großeltern in ihr fort, wenn sie über zwanzig Jahre danach mit Pittiplatsch, dem Traumzauberbaum und den Kinderliedern von Gerhard Schöne aufwächst?

Wie ich auch schon in meinem Bericht zu einer Veranstaltung Ostdeutsche Frauen werden sichtbar, die ich besuchte, feststellte: Das Thema ist immer noch aktuell. Es beschäftigt , die Menschen, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, nach wie vor. Und ich finde es großartig, wenn individuelle Erfahrungen Raum bekommen, wenn wir dadurch die Schubladen auflösen und uns für eine Welt fern der Klischees öffnen können, wenn auch diese Erfahrungen das künftige Geschichtsbild prägen. Und dazu gehören auch die jetzt ganz jungen Stimmen. Denn sie sind der Beweis dafür, dass die unterschiedlichen Vergangenheiten in den Familien, in den beiden deutschen Gesellschaften auch in der Generation der kurz vor oder kurz nach dem Mauerfall Geborenen prägt. Und letztendlich ist es gesamtgesellschaftlich eine Frage der Integration. Denn ich fühle mich als Gesamtdeutsche mit sozialistischem Migrationshintergrund. (Diese für mich sehr treffende Beschreibung fand ich vor vielen Jahren in diesem Spiegel-Artikel.) #de25