von hehocra | Feb 24, 2019 | Gedichte |
veränderung
in der Bewegung liegen
immer wieder laufen
Tag für Tag den Morgen begrüßen
schmerzlich der Abschied
fern reisen nah zu Hause sein
dem Ich in die Augen sehen
im Schatten baden
lächelnd im Sommerregen weinen
mit den Tropfen tanzen
springen die Knospen
ins Leben
allein – miteinander
unter der Weite des Himmels
Halt finden im Fluss
Leben
2007, © Doreen Trittel
Eins mit den Wellen, Fotografie, digital sw, 2005, (c) Doreen Trittel
Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogaktion 28 Tage Content von Anna Koschinski.
von hehocra | Feb 23, 2019 | 30 Jahre... - Kunst & mehr, Collagen |
Aus der Vergangenheit auftauchen
Langsam wieder auftauchen. Ankommen im Heute. Fotografien, Grußkarten vergangener Zeiten haben mich in den letzten Stunden in ihren Bann gezogen. Ihr Ursprung liegt mehrere Jahrzehnte zurück. Vorfahren. Menschen wie du und ich. Meine Familie. Durch sie lebe ich, bin ich hier. Fragen bleiben ohne Antworten. Vermutungen. Aha, Erkenntnisse und dann doch wieder Fragezeichen. Fröhliche Gesichter. Traurige Augen. Männer in Uniform. Auch Kinder gleich gekleidet. Feierlichkeiten. Feste. Ein Hoch auf das Brautpaar. Der Stolz sind die Kinder. Eine trauernde Frau am mit Blumen geschmückten Grab. Sie ist nun Witwe – vermutlich. Gefühle? Ängste? Wünsche?
„Die Ketten meiner Oma“, Detail, 2018, (c) Doreen Trittel
In der Gegenwart ankommen
Tränen suchen sich ihren Weg. Wollen die Gefühle ans Licht bringen, den Körper von der Last befreien. Atmen. Einatmen. Ausatmen. Den Blick ins Himmelblau, geblendet vom winterlichen Sonnenlicht. Die Augen schließen. Schreiben. Wort für Wort. Hoffen auf Erlösung von dem Moment. Wieder ankommen.
Zurück im eigenen Leben. Eben war sie noch das Kind auf dem Arm der Mutter, auf den Schultern des Vaters, nun ist sie selbst die Mutter, die ihr fröhliches Kind von der Schule empfängt.
Tief einatmen. Kräftig ausatmen. Die Arme in den Himmel richten. Die Verbindung spüren. Alles ist mit allem verbunden. Den Körper strecken. Dem Gähnen freien Lauf lassen. In Bewegung kommen. Heute. Einen Schritt nach dem anderen. Auf dem eigenen Weg.
„Die Ketten meiner Oma“, Detail, 2018, (c) Doreen Trittel
In die Zukunft schauen
Das Wissen ins sich, vor uns sind schon viele ihren Weg oder den Weg anderer gegangen, bestimmt von der Familie, vom Umfeld, von den gesellschaftlichen und politischen Ereignissen. Heute leben wir, hier und jetzt. Wie wird es nach uns sein? Welchen Weg werden die heutigen jungen Menschen, die heutigen Kinder, die heutigen Babys, die heute noch ungeborenen Kinder nach uns gehen? Wie wird sich die Welt verändern? Wir wird es sein, wenn wir einmal nicht mehr sind? Wird etwas von uns bleiben? Was wird bleiben?
Alles ist miteinander verbunden.
Übernehmen wir die Verantwortung für die Vergangenheit, für unsere Gegenwart, für die Zukunft.
„Die Ketten meiner Oma“, Detail, 2018, (c) Doreen Trittel
***
Den Text oben habe ich in 10 Minuten geschrieben, nachdem ich alte Unterlagen und Fotografien meiner Familie durchgesehen habe. 10 Minuten schreiben, einfach schreiben – das ist eine Anregung, die ich von Anna Koschinski habe. Vielen Dank. Im Rahmen ihrer Aktion 28 Tage Content erscheint auch dieser Blogbeitrag. Gleichzeitig ist er ein Teil meiner Aktionen rund um das Jubiläum 30 Jahre Mauerfall.
Die Fotografien zeigen Details meiner Bilder der Serie „Die Ketten meiner Oma“. Diese präsentierte ich im vergangenen Jahr erstmals beim Kunstfestival 48 Stunden Neukölln in Berlin.
In Collagen, Installationen und Fotografien setzt sich Doreen Trittel immer wieder mit Erinnerungen auseinander. Sie betrachtet Elemente daraus, spiegelt sie, stellt sie in einen neuen Kontext und transformiert sie. Dabei fasziniert die Künstlerin der Veränderungsprozess von der Vergangenheit, über die Gegenwart, hin zur Zukunft.
Ein Schwerpunkt ihrer Arbeiten liegt in ihrer ostdeutschen Herkunft. Mit ihrer Serie „Die Ketten meiner Oma“ geht Doreen Trittel weiter und widmet sich den Einflüssen vorheriger Generationen: Was ist da noch? Was beeinflusst mich und verfälscht mich vielleicht? Oder machen mich die Prägungen, die Werte aus meiner Familiengeschichte erst richtig echt? Wer bin ich? Doreen Trittel stellt ihre eigene Identität immer wieder in Frage und folgt der Sehnsucht nach dem echten Ich. Damit zeigt die Künstlerin im Rahmen des Festivals ihre neueste Arbeit, die einzelne Collagen/Assemblagen in mehreren Objektkästen umfasst.
Diese Beiträge könnten Dich auch interessieren. Hier findest Du mehr zu diesem Thema und kannst die Bilder der Serie komplett sehen: Ketten – so und so… *** Die Ketten meiner Oma | der Ursprung *** Die Ketten meiner Oma | Teil 1 *** Die Ketten meiner Oma | Teil 2. Damit beschäftige ich mich auch mit meiner Zugehörigkeit zu den Kriegsenkeln. Eigentlich bin ich Kriegsurenkelin, aber ich sehe viele Parallelen und bin selbst von den Erfahrungen meiner Vorfahren geprägt.
„Die Ketten meiner Oma“, Detail, 2018, (c) Doreen Trittel
von hehocra | Feb 22, 2019 | Gedichte, 30 Jahre... - Kunst & mehr, Ostdeutsches |
alte zeichen
die zeichen der zeit
schweigen laut
schreien stumm
tragen spuren vieler jahre
leben die erinnerungen
die zeichen der zeit
2007, © Doreen Trittel
Spuren vom Konsum, 2009, (c) Doreen Trittel
Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogaktion 28 Tage Content von Anna Koschinski. Gleichzeitig ist er ein Teil meiner Aktionen rund um das Jubiläum 30 Jahre Mauerfall.
von hehocra | Feb 21, 2019 | 30 Jahre... - Kunst & mehr, Fundstücke, Ostdeutsches |
…War schon froh, dass du mit dabei warst… (aus Mensch Mutta)
Wie sie diesen Satz sagt… Er fällt so nebenbei. Doch mit der Pause danach gewinnt er an Bedeutung. Er offenbart die Liebe und Zuneigung zu ihrer Tochter.
{Werbung ohne Auftrag} Katharina Thoms spricht über eine lange Zeit mit ihrer Mutter über deren Leben in der DDR und deren Erfahrungen nach dem Mauerfall. Die Gespräche mit ihrer Mutter hat die Journalistin und Filmemacherin nun in einem Podcast der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Damit macht sie uns, den Zuhörerinnen und Zuhörern ein unschätzbares Geschenk.
Mensch Mutta
Katharina Thoms hält ihre Mutter für normal und nicht besonders. Sie hat sich dem System der DDR angepasst und ihr Leben so gut gelebt, wie es eben ging. Doch, dass dem nicht so ist, lassen nun die erzählten Erinnerungen der Mutter erkennen. In Nebensätzen offenbaren sich Entscheidungen der Mutter, die mehr als nur normal sind.
Blick auf den Tränenpalast vom S-Bahnsteig Friedrichstraße, Berlin, 2019, (c) Doreen Trittel
Mutter, Tochter und die DDR
Der Bericht von menschmutta nicht nur ein Zeugnis über ein halbes Leben in der DDR. Die Gespräche zeigen auch, wie sich der Blick auf die eigene Mutter (oder auch den Vater) verändern kann. Oft glauben wir zu wissen, dass wir unsere Mutter kennen. Doch wenn man sich traut, nachzufragen und wenn Antworten kommen, wenn man seinen Blick auf die kleinen Gesten und Handlungen lenkt, dann kann man neue Facetten erkennen.
menschmutta erzählt von ihren Erfahrungen als Kind auf dem Land und von ihrem Wunsch, Erzieherin zu werden, der sich nicht erfüllte. menschmutta traut sich erst nicht, den Führerschein zu machen, doch dann fährt sie mit dem Auto Post aus und erlebt damit so manches Abenteuer… Aber dies sind nur kleine Einblicke. Der Podcast umfasst mehrere Folgen und gibt einen tiefen Einblick in ein halbes Leben in der DDR.
Die Folgen: 01 Normal is anders / 02 Der Traumberuf / 03 In der Parallelwelt / 04 Ab durch die Mitte / 05 Schnüffelliesen / 06 Menschenskinder / 07 Mauer uff
Tränenpalast, Friedrichstraße, Berlin, 2019, (c) Doreen Trittel
Der Tränenpalast
Der Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin war…
…die ehemalige Ausreisehalle der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße in der zwischen 1961 und 1989 geteilten Stadt Berlin… (aus Wikipedia)
Die Fotografien vom Tränenpalast veröffentlichte ich Ende Januar auf meinem Instagram-Profil mit folgendem Text:
Während ich die letzte #podcast Folge höre, blättert @menschmutta in ihrem alten #ddr Pass und findet den Stempel ihres ersten Grenzübertritts im November 1989 #9Nov1989. In diesem #moment laufe ich gerade an diesem Ort vorbei #berlin#friedrichstrasse #tränenpalast Das war auch mein erster Grenzübertritt im gleichen Monat. Ich als 16 jährige mit meiner Schwester, unserer Mutter und ihrer Freundin. #ostdeutschekindheit #erinnerung#ddrvergangenheit Atelier für Erinnerung & Veränderung #hehocra #künstlerin#bloggerin #impulsgeberin #zeitzeugin#stasikind (@hehocra)
Ich war sehr berührt von diesem Moment, davon, dass ich am Ort war, der vor knapp 30 Jahren nicht nur für mich, sondern auch für menschmutta und viele andere der erste Grenzübertritt nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 war.
In die Welt tragen
Der Podcast ist eine Eigenproduktion – mit Unterstützung – und zeichnet sich auch dadurch aus, dass er sehr professionell gemacht ist. Ich wünsche diesem Zeugnis eine große und neugierige Zuhörerschaft. Meinen Beitrag dazu trage ich mit meiner Empfehlung gern bei. In den vergangenen Wochen habe ich schon oft Freundinnen davon erzählt, die ebenfalls sehr berührt sind. So möge sich die Geschichte von menschmutta in die Welt tragen und die Menschen bereichern.
Mensch Mutta
Tränenpalast, Friedrichstraße, Berlin, 2019, (c) Doreen Trittel
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Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogaktion 28 Tage Content von Anna Koschinski. Gleichzeitig ist er ein Teil meiner Aktionen rund um das Jubiläum 30 Jahre Mauerfall.
von hehocra | Feb 20, 2019 | Fundstücke |
aus meinem Archiv, von irgendwann, vor vielen Jahren geschrieben:
schreiben ohne abzusetzen schreiben ohne punkt und komma schreiben von was schreiben worüber spüre ich den drang zu schreiben doch finde ich keine worte finde ich keine sätze finde ich keine zeilen hänge ich in meinen gedanken blicke dabei aus dem fenster ins grau melancholisch wehmütig schaue ich hinaus denke ich an vergangene zeiten an einem anderen ort wo heute die sonne lachend scheint freunde fliegt eine möwe hoch am himmel trotzt sie dem grau trotzt sie dem regen bewundernswert folgen meine augen ihrem gleitenden flug fort ist sie erblicke ich eine taube hoch oben auf dem turm zusammengekauert um sich vor den kalten temperaturen zu schützen trotzt sie dem trüben wetter beobachtet sie das geschehen der stadt das eifrige treiben der menschen breitet sie ihre flügel aus erhebt sich in die lüfte fliegt mit dem wind und meine gedanken folgen ihr…
(c) Doreen Trittel
Liegt das weiße Blatt oder steht der weiße Bildschirm auch manchmal ratlos vor Dir und die ersten Worte wollen sich nicht finden lassen, nicht darauf Platz nehmen? Dann tut es einfach gut, das Weiß ohne Ziel, ohne den inneren Zensor zu füllen. Schreiben, schreiben, ohne Punkt und Komma, was Dir in den Sinn kommt, was Du um Dich herum beobachtest. So füllen sich die Zeilen und die Leere gähnt nicht mehr. Das Schreiben kommt in den Fluss… Viel Freude dabei.
von hehocra | Feb 19, 2019 | Ostdeutsches, 30 Jahre... - Kunst & mehr, Bücher |
Sei dennoch unverzagt ist nicht nur der Beginn des folgenden Gedichtes, sondern auch der Titel eines Buches, das ich heute gern vorstellen möchte. [Werbung ohne Auftrag]
An sich selbst
Sei dennoch unverzagt, gib dennoch unverloren,
Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid,
Vergnüge dich an dir und acht es für kein Leid,
Hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.
Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren,
Nimm dein Verhängnis an, lass alles unbereut.
Tu, was getan muß sein, eh man dir’s gebeut.
Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren.
Was klagt, was lobt man doch?
Sein Unglück und sein Glücke
Ist sich ein jeder selbst. Schau alle Sachen an,
Dies alles ist in dir. Laß deinen eitlen Wahn,
Und eh du vorwärts gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
Dem ist die weite Welt und alles untertan.
Paul Fleming (Flemming)
(1609 – 1640), deutscher geistlicher Dichter und Lyriker
Jana Simon arbeitet als Journalistin und Schriftstellerin. Ihr Buch Sei dennoch unverzagt erschien 2013 im Ullstein Buchverlag und trägt den Untertitel: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf. Jana Simon führt unregelmäßig über zehn Jahre hinweg Gespräche mit ihren Großeltern, beide bekannte Schriftsteller, die sich auch politisch und mit kritischem Blick in der DDR engagierten. Sie fragt: Wie war das damals?… So erinnern sich die Großeltern an ihre Erfahrungen in den Anfängen der DDR und bis lange nach dem Fall der Mauer. Was haben sie erlebt? Wie haben sie bestimmte Entwicklungen früher gesehen? Wie sehen sie früheres heute? Warum…? Wieso…?
Jana Simon ist Journalistin, aber das besondere an diesem Buch, finde ich, ist, dass sie mit ihren Großeltern auf persönlicher Ebene spricht und ihre ganz persönlichen Fragen stellt – neugierig, vorsichtig, fordernd. Wer von und über das Schriftstellerehepaar Christa Wolf und Gerhard Wolf bereits gelesen hat, für den ist es nicht verwunderlich, dass beide offen und selbstkritisch zurückblicken. Die aufgezeichneten Gespräche sind großartiges Beispiel dafür, um verschiedene Themen innerhalb der Familie anzusprechen, generationsübergreifend auf den Verlauf der Geschichte, auf die Entwicklungen von Gesellschaften, auf den ganz persönlichen Weg einer Familie zu blicken. Gleichzeitig ist dem Buch auch anzumerken, wie schwierig es ist, innerhalb einer Familie ins Gespräch zu kommen.
ps: Einst hatte das Buch in wenigen Tagen ausgelesen. Damals reiste ich nach London. Unterwegs bin ich zwischendurch in eine längst vergangene und mir zum Teil aus meiner Kindheit bekannte Zeit abgetaucht. Ein seltsames Gefühl, zwischen den Zeiten, zwischen den Welten.
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Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogaktion 28 Tage Content von Anna Koschinski. Gleichzeitig ist er ein Teil meiner Aktionen rund um das Jubiläum 30 Jahre Mauerfall.