Die Künstlerin Marina Abramovic geht in ihren Performances radikale Wege. Dafür ist sie bekannt und dafür bewundere ich sie sehr. Ich schätze ihren Mut. Und wir haben etwas gemeinsam: Auch sie sagt von sich, dass sie aus einem Land kommt, dass es nicht mehr gibt. Sie bezeichnet sich als Exjugoslawin. Ich sehe mich als Deutsche mit ostdeutschem Migrationshintergrund.

Doch eine Aussage von ihr bringt mich auf die Palme. Vertritt sie eine Ansicht, die ich längst nicht mehr zeitgemäß finde. Ich ärgere mich. Denn ihre Worte finden Gehör und wirken bremsend auf alle aufkeimenden Veränderungen.

Aber worum geht es eigentlich? Was hat sie gesagt? Hier das betreffende Zitat aus dem Interview auf die Frage „Wollten Sie nie Kinder haben?“

Nein. Nie. Ich habe drei Mal abgetrieben, weil ich überzeugt war, dass es ein Desaster für meine Arbeit wäre. Man hat nur so und so viel Energie in seinem Körper, und die hätte ich teilen müssen. Das ist meiner Ansicht nach der Grund, warum Frauen in der Kunstwelt nicht so erfolgreich sind wie Männer. Es gibt jede Menge talentierter Frauen. Warum übernehmen die Männer die wichtigen Positionen? Ganz einfach: Liebe, Familie, Kinder – all das will eine Frau nicht opfern.

Dass Marina Abramovic sich für ein Leben ohne Kinder entschieden hat, ist eine sehr persönliche Entscheidung. Auch, dass sie abgetrieben hat. Dies sind Entscheidungen, die sehr persönlich sind und die, wie ich finde, jede Frau nur für sich selbst allein treffen kann. Doch die Abwertung von Frauen, die sich für Kinder entschieden haben, und die Abwertung von Künstlerinnen im Besonderen finde ich empörend. Wie kann sie das nur behaupten?

Auch fühle ich mich von ihr in eine Schublade gesteckt, in der ich mich so gar nicht wohl fühle. Sie kennt das Leben mit Kindern nicht. Sie kennt diese Welt nicht. Sie kennt uns Mütter nicht. Sie kann nicht einschätzen, wie viel Energie ich in mir habe, vor allem wie viel künstlerische Energie mir meine Mutterrolle gibt.

Seit ich Mutter bin, bin ich auf andere Art und Weise an meine Grenzen gekommen, bin ich in vielerlei Hinsicht enorm gewachsen, habe ich eine nie geahnte Kraft in mir entdeckt… Dies alles drückt sich auch in meiner Kunst aus. Öffne ich mich Themen, die ich vorher nicht einmal erahnen konnte. Betrachte ich die Welt mit anderen Augen, ist alles für mich bunter, vielfältiger, vielschichtiger und vor allem tiefer geworden.

Ja, es ist ein Spagat, meinem kreativem Schaffensdrang und den alltäglichen Verpflichtungen und Verantwortungen als Mutter gerecht zu werden. Aber diesen Spagat gibt es mit jedem anderen Beruf auch. Künstlerinnen und Künstler haben zudem den Spagat zu bewältigen, von ihrer Kunst Leben zu können oder einem Broterwerb nachgehen zu müssen. Aber das ist noch ein anderes Thema. Auch frage mich, ob einem männlichem Kollegen diese Frage überhaupt jemals gestellt worden ist: „Wollten Sie nie Kinder haben?“ Sicher nicht.

Gerade als Mutter habe ich schon in meinen dreißigern gelernt, dass „…man den Bullshit reduzieren“ muss. Als Mutter kommt es darauf an, seine Energie für die Dinge aufzuwenden, die einem wichtig sind. Dafür muss ich nicht erst 70 werden, Frau Abramovic. Das so am Rande mit einem Augenzwinkern.

Es gibt großartige Künstlerinnen, die ihre Mutterschaft auf sehr berührende, kraftvolle und offene Art und Weise thematisieren, die ich sehr eindrucksvoll finde. Sie zeigen deutlich: Klar können Künstlerinnen auch Mütter und gleichzeitig erfolgreiche Künstlerinnen sein. Sie entwickeln dadurch einen besonderen und tief gehenden Ausdruck in ihren Arbeiten.

Lassen wir uns nicht entmutigen! Gehen wir weiter unseren eigenen Weg! Wir Frauen. Wir Mütter. Wir Künstlerinnen. Unterstützen wir uns gegenseitig! Helfen wir uns und bringen wir uns damit gemeinsam nach vorn! Wir großartigen Mütter. Wir großartigen Künstlerinnen! 

Ich danke Dir, liebe Eva Beatrice Förster, dafür, dass ich durch Dich auf dieses Interview aufmerksam geworden bin. Ich danke Dir auch für Deine Empörung und Dein Statement für unsere Kinder. Denn in ihnen liegt unsere Zukunft.

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Das obige Foto ist ein Ausschnitt aus meiner Arbeit mit dem Titel „Herausforderungen„.

Nachtrag: Dieser Artikel ist auch bei EDITION F erschienen.