Neugierig? – 13 Dinge über mich, von denen Du noch nichts weißt.

Neugierig? – 13 Dinge über mich, von denen Du noch nichts weißt.

Das Neue Jahr liegt wie ein weißes, reines Blatt Papier vor mir, zumindest wenn ich ans Bloggen denke. Ich bin mitten in einem neuen Projekt für Euch, das ich Dir in den nächsten Tagen vorstellen möchte… Da fiel es mir schwerer, das weiße Blatt mit Leben zu füllen. Aber gestern Nacht kam ein Inspirationsfunken zu mir geflogen: Mehrere in meiner Timeline haben mehr als zehn Dinge, spannende Fakten über sich verraten, so dass mir jetzt auch einige ‚Geheimnisse‘ in den Sinn kamen, von denen ich Dir bestimmt noch nicht erzählt habe. Also springe ich jetzt noch schnell auf die Blogparade von Birgit Schultz von Marketing-Zauber auf. Viel Spaß bei meinen Einblicken und augenzwinkernde Grüße von mir.

 

Selbstporträt, 2015, (c) Doreen Trittel

Selbstporträt, 2015, (c) Doreen Trittel

 

1. Funktion: In der Schule, in meiner Klasse war ich Wandzeitungsredakteur. Das war in der Pionierorganisation neben dem Gruppenratsvorsitzenden, Agitator, Kassenführer… eine der zu übernehmenden Funktionen, für die man von allen Pionieren der Klasse gewählt wurde. Ich hatte Spaß daran, weil ich da Bilder suchen, ausschneiden, sammeln und schön anordnen durfte. Etwas besonderes war es, wenn ich passende Objekte mit einbauen konnte. Das Gestalten stand für mich im Mittelpunkt. An die Inhalte darf ich garnicht denken.

2. Vernünftig: Als Kind und auch später war ich immer (oder meistens) die Vernünftige. Ich war ja auch die Älteste von allen Kindern in der Familie… Heute bin ich, soweit ich recherchieren konnte, die erste Künstlerin und schaffe Arbeiten, die mit meiner Familiengeschichte zu tun haben, und die ich dann auch noch veröffentliche…

3. Weihnachtsfrau: Als ich klein war, stand ich gern auf der Bühne. Ich habe sogar mal mit dem Morgenmantel meiner Mutter den Weihnachtsmann gespielt. Heute würde ich ja sagen: Weihnachtsfrau.

 

Selbstporträt, analog, Ende 90er, (c) Doreen Trittel

Selbstporträt, analog, Ende 90er, (c) Doreen Trittel

 

4. Suse: Beim Neptunfest im Ferienlager wurde ich mal auf den Namen „Suse von Schneckenhausen“ getauft. Das habe ich schon damals nicht verstanden und mich mit dem Namen nicht verbunden gefühlt.

5. Schießen: Wenn Du meine Arbeit „Schießen für den Frieden“ kennst, dann weißt Du, dass ich als Kind Manöverübungen mitgemacht, im Sport Handgranatenweitwurf hatte und schießen gelernt habe. Damals war das normal. In meiner Installation setze ich mich damit kritisch auseinander. Aber es gab eine Zeit, in der ich es gemocht habe zu schießen. Es war ein Gefühl der Herausforderung, besser zu sein als die anderen. Ich hatte den Ehrgeiz, bei der Zielscheibe ins Schwarze zu treffen.

6. Post austragen: Als in der DDR der erste Walkman für Kassetten herauskam, habe ich bei der Post gearbeitet. Ich habe mitten in der Nacht Zeitungen ausgetragen und in der zweiten Runde dann die Briefe. Im Sommer habe ich irgendwo in der Prignitz in einer Kantine für Eisenbahner Kartoffeln geschält und rostige Fahrradständer abgebürstet. Ich war so glücklich, dann einer anschließenden Reise in die Ferien im Zug meine Musik hören zu können. Da waren die eisigen Finger vom Briefe einsortieren im Winter und die dunklen und verwinkelten Hinterhöfe in Berlin Friedrichshain, wo auch noch Briefkästen versteckt waren, vergessen, auch die rostigen Eisenspähne, die mir um die Ohren flogen. An die Zeit beim Kartoffeln schälen mit den Kolleginnen dort habe ich als lustig und fröhlich in Erinnerung.

 

Selbstporträt, analog, Mitte 90er, (c) Doreen Trittel

Selbstporträt, analog, Mitte 90er, (c) Doreen Trittel

 

7. Berufswunsch 1: Früher wollte ich Lehrerin werden, für Russisch. Oh ja. Aber man bescheinigte mir, dass ich kein Talent für Sprachen hätte. Und dann kam der Mauerfall und dieser Wunsch zerplatzte wie eine Seifenblase. Später habe ich erkannt, dass dies dann wohl doch nicht mein ureigenster Wunsch war.

8. Berufswunsch 2: Dann träumte ich davon, Schriftstellerin zu werden. Ich habe viel geschrieben, Notizen für Bücher gemacht, Kurse besucht, Bücher gelesen. Aber irgendwie ging mir das nicht leicht von der Hand. So bin ich bei der Poesie, die mit wenigen Worten auskommt, hängen geblieben. Und dann gab es auch auch schon die Möglichkeit des Bloggens.

9. Sicherheit: In der Orientierungslosigkeit nach dem Mauerfall, stand Sicherheit ganz oben. So bin ich gleich nach dem Abi in den öffentlichen Dienst gekommen. Dort war ich an verschiedenen Stellen und an verschiedenen Orten. Aber die Kunst war immer da. Es brauchte meine Zeit bis ich mich selbstbewusst auch als Künstlerin sah und damit die Bühne betrat.

 

Selbstporträt, analog, 1999, (c) Doreen Trittel

Selbstporträt, analog, 1999, (c) Doreen Trittel

 

10. Auto: Knapp hätte ich meinen Auto-Führerschein noch vor meinem 18. Geburtstag gemacht. Doch dann bin ich in der praktischen Prüfung durchgefallen. Ich war so traurig und sauer darüber… Da habe ich dann meine analoge Kamera genommen und erste Selbstporträts, analog sw, gemacht. Das hat mir darüber hinweggeholfen und zwei Wochen später habe ich die Prüfung dann auch geschafft.

11. PS: Ich bin mir nicht sicher, ob ich das schon mal erwähnt habe. Ich habe mit Ende Zwanzig den Motorrad-Führerschein gemacht. Das war damals ein großer Traum von mir. Die Prüfungen hierfür hatte ich gleich beim ersten Mal bestanden. Doch auf dem Weg zur praktischen Prüfung hatte ich mich mit dem Motorrad erst einmal hingelegt, weil ich in beim Abbiegen zu langsam war. Da musste ich mir vom Fahrlehrer eine Standpauke anhören. Mein eigenes Motorrad war dann eine Honda Hornet mit einigen PS und ich war nie wieder zuuu langsam. Ich bin einige Jahre gefahren und habe mit Freunden schöne Touren gemacht, interessante Ecken Deutschlands entdeckt. Heute ist das weit, weit weg für mich.

12. Saarbrücken: Ich weiß bis heute nicht genau, was mich dazu gebracht hat, seiner Zeit beruflich nach Saarbrücken zu ziehen. Damals dachte ich noch, ich würde nie wieder nach Berlin zurück kommen können. Es kam dann anders. Nach fünf Jahren und vielen Veränderungen kam ich dann nach Berlin Charlottenburg, wo ich heute noch lebe. Die Zeit im Saarland war für mich und meinen Weg sehr wichtig, so dass ich da schon das Gefühl hatte, Saarbrücken ist meine zweite Heimat. Ich muss unbedingt mal wieder hin.

 

Selbstporträt, 2008, (c) Doreen Trittel

Selbstporträt, 2008, (c) Doreen Trittel

 

13. Angst: Ich habe in den letzten Jahren gelernt, Angst als Wegweiser zu betrachten. Doch gleichzeitig habe ich auch immer noch Angst vor der Angst. Und sich selbst immer wieder zu hinterfragen, ist kein Kinderspiel. Aber ich kann nicht mehr ohne, denn durch die unterschiedlichen Transformationen kann ich loslassen und Veränderungen schaffen. Ich fühle mich damit reich beschenkt und sehr bei mir. Dafür bin ich dankbar.

 

Selbstporträt, 2010, (c) Doreen Trittel

Selbstporträt, 2010, (c) Doreen Trittel

 

Das waren 13 Dinge aus meinem ganz persönlichen Nähkästchen.

Da dies mein erster Blogbeitrag in 2019 ist, sende ich Dir noch herzliche Grüße zum Neuen Jahr und wünsche Dir gesunde, inspirierende und frohe zwölf Monate. Alles Liebe und Gute für Dich und Deine Lieben!

Vita & Ausstellungen

Doreen Trittel Ausstellungen & Veröffentlichungen & Aktionen Auswahl 2020/2021, Immer bereit!?, Frauenzentrum Paula Panke e.V., Berlin (Einzelausstellung) 2020, Von B nach B – Begegnungen auf dem Radweg Deutsche Einheit, Fotoprojekt, Ausstellung und Buch...
Aufgewachsen… | Ich in einem Interview

Aufgewachsen… | Ich in einem Interview

Vor kurzem lernte ich Maria Klitz auf digitalen Wegen kennen. Maria hat eine Website und schreibt einen Blog zum Thema Bedürfnisorientiertes Familienleben. Da ich selbst auch Mutter bin und mich mit Familie in meiner Kunst auseinandersetze, fand ich gleich spannend, was Sie macht. Maria ist Erzieherin und Elterncoach. Online führt sie Interviews zu Tabuthemen, Alltag und Kindheit früher. So kamen wir auf meine Familiengeschichte zu sprechen und ich beantwortete Marias Fragen.

 

Baby im Kinderwagen sw

Foto privat, (c) Doreen Trittel

 

„Aufgewachsen in einem Land, das es nicht mehr gibt“: Herzlichen Dank, liebe Maria, für Dein Interesse und Deine Neugier an meiner ostdeutschen Herkunft und meinen Erfahrungen als Stasi-Kind. Auf der einen Seite erzähle ich viel aus dieser Zeit und beschäftige mich auch in meiner künstlerischen Arbeit damit, und auf der anderen Seite habe ich durch Deine Fragen wieder erfahren, dass es nicht einfach ist, die damaligen Lebenserfahrungen und das Lebensgefühl aus meinem Alltag an jemanden weiterzugeben, der es selbst nicht erlebt hat. Kommt es mir selbst mitunter fremd vor. Aber dieser Herausforderung stelle ich mich immer wieder gern, öffnen sich mir dadurch immer wieder neue Perspektiven… weiterlesen

 

Kind Fahrradfahren sw

Foto privat, (c) Doreen Trittel

 

…Ich war zum Beispiel sehr stolz darauf, dass ich mit meinem grasgrünen Fahrrad schnell das Fahren lernte und den Fahrtwind im Gesicht spüren konnte…

 

Foto sw Porträt

Foto privat, (c) Doreen Trittel

 

…Manchmal, wenn ich so da sitze und einfach in die Welt schaue, spüre ich die Schwere meiner Geschichte und Auseinandersetzung… Doch dann blicke ich auf die vielen Phasen zurück, in denen ich viele Hürden schon genommen habe. Und das fühlt sich unglaublich gut an…

 

Das vollständige Interview kannst Du bei Maria Klitz nachlesen: Aufgewachsen in einem Land, das es nicht mehr gibt. Auch die anderen Interviews kann ich empfehlen. Ich finde die verschiedenen individuellen Geschichten und Erfahrungen immer sehr spannend.

7 Bücher, die mich geprägt haben

7 Bücher, die mich geprägt haben

Sommer, Ferien, Urlaub… Wochenende… Zeit zum Lesen. Auf Facebook wurde ich von einigen nach meinen 7 Büchern gefragt, die mir etwas bedeutet bzw. bedeutet haben. 7 Bücher an 7 Tagen und das ganze ohne Worte, nur der Buchtitel bzw. das Buchcover. Aber im Laufe der Tage hatte ich dann doch das Bedürfnis, das ein oder andere zu den Büchern zu sagen. Und das mache ich heute nun hier, in meinem Blog.

Bei der Auswahl dieser Bücher bin ich ohne große Überlegungen vorgegangen. Ich stand vor meinem Regal und ließ meine Augen, den Kopf geneigt, über die Buchrücken gleiten. So zeige ich Dir heute diese 7, in der Reihenfolge, wie ich sie gelesen habe:

 

Tun Sie’s doch!** von Irene C. Kassorla, Knaur, 1988 — Dieses Buch habe ich Anfang der 90er Jahre auf Empfehlung einer damals befreundeten Kollegin gekauft. Es ist sehr im ‚amerikanischen Stil‘ geschrieben: Chacka! Yeah!… Damals war dies für mich der Einstieg in die Thematik, sich und sein Handeln zu hinterfragen, zu reflektieren.

 

Guten Morgen, du Schöne** von Maxie Wander, dtv, 1977 — Das Buch vereint „…Protokolle nach Tonband. Darin lässt sie Frauen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters über ihre Alltagserfahrungen, Befindlichkeiten und Wünsche sprechen….“ (Wikipedia, Aug.18) Die persönlichen Geschichten der Frauen berührten mich sehr.

Klar bin ich eine Ost-Frau! von Martina Rellin, Rowohlt Berlin, 2004 — Die Autorin hat den Stil von Maxie Wander aufgegriffen und Menschen zu verschiedenen Themen befragt. Ich habe es seiner Zeit in Saarbrücken gelesen, als ich dort einige Jahre lebte. …mit den Jahren begann auch ich selbstbewusst zu sagen: Ja, ich bin eine Ost-Frau!

 

Im Zwischenlicht der Zeit** von Ingrid van Biesen (Gedichte) und Monika Bozem (Grafiken), Gollstein, 2005 — Dieses schmale Buch beinhaltet Gedichte, die mit äußerst wenigen Worten viel erzählen. Das kreative Schreiben, insbesondere von Poesie, stand für mich viele Jahre im Mittelpunkt. Dieser Gedichtband hat mich sehr geprägt. Ich begann vieles, was ich bis dahin geschrieben hatte, zu überarbeiten… Auch heute streiche ich vieles im Prozess des Werdens zusammen, nicht nur in Texten sondern auch in meinen Werken.

 

Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen** von Mitch Albom, Goldmann, 2005 — Der Autor hat mehrere interessante und sehr anregende Bücher geschrieben, die inzwischen auch mitunter verfilmt wurden. Dieses Buch war das erste von Mitch Albom, was zuerst gelesen habe. Ein alt gewordener Mann blickt auf sein Leben zurück, das er als langweilig, ereignis- und sinnlos ansieht. Doch erst nach dem Tod begegnen ihm fünf Menschen, die seine Sicht auf sein Leben grundlegend verändern… Dies hat mir in einer Zeit sehr geholfen, an der etwas zu Ende ging und das Neue noch unbekannt war.

 

Als Mutter bin ich nicht genug** von Elif Shafak, Egmont VGS, 2010 — Dieses Buch hatte ich einst in Istanbul entdeckt. Die Autorin beschreibt ihre inneren Stimmen als einzelne Personen mit einem eigenen Zuhause in sich. Sie kommuniziert mit ihnen. Sie diskutieren untereinander und geraten heftig aneinander. Dies gipfelt in einer Depression nach der Geburt. Mehr dazu habe ich mal im wunderbaren Blog ohfamoos geschrieben: Wie viele Frauen hast Du in Dir?

 

Stasi-Kinder: Aufwachsen im Überwachungsstaat** von Ruth Hoffmann, Propyläen und List Taschenbuch, 2012 — Auch in diesem Buch kommen verschiedene Menschen zu Wort. Sie erzählen ihre Geschichte als Stasi-Kind. Dieses Buch war für mich im wahrsten Sinne eine Offenbarung.

 

Lesen im Café, (c) Doreen Trittel

Lesen im Café, (c) Doreen Trittel

 

Jedes dieser Bücher hat mich auf seine Weise geprägt und dazu beigetragen, dass ich mich verändern und mit verschiedenen Herausforderungen in meinem Leben umgehen konnte… Welche Bücher fallen Dir ein? Du kannst die Anregung gern aufgreifen und uns Deine 7 Bücher zeigen, die Dir etwas bedeuten, die Dich geprägt haben. Ich freue mich darauf und verlinke sie hier gern. Gibst Du mir Bescheid? Dankeschön.

Eine Ausstellung der Erfahrungen

Eine Ausstellung der Erfahrungen

Wenn Fotos in Ausstellungen erlaubt sind, dann mache ich gern welche. Doch bei dieser Ausstellung war das Fotografieren für mich unerwartet zur Nebensache geworden. Weshalb? Was war hier so außergewöhnlich?

 

"The Cleaner" Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

„The Cleaner“ Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

 

Der Künstlerin Marina Abramovic ist eine großartige Retrospektive in der Bundeskunsthalle in Bonn gewidmet, bis zum 12. August 2018: The Cleaner

Marina Abramović, geboren 1946 in Belgrad, ist eine der meistdiskutierten Künstlerinnen, vor allem im Bereich ihrer Performances, mit denen sie immer wieder die eigenen physischen und psychischen Grenzen auslotet und überschreitet.

Rein Wolfs, der Intendant der Bundeskunsthalle, sagt: „Die Bedeutung von Marina Abramović ist so immens, dass eine große Retrospektive in Europa längst fällig war. Durch einen konsequenten Einsatz von Re-Performances ist The Cleaner mehr als eine einfache Ausstellung, ein immersives Gesamterlebnis größter kunsthistorischer Tragweite.“…

Persönliche Erfahrungen und auch Verantwortung sind ein zentraler Punkt ihrer Arbeit, die sich im Kern mit Erinnerung, Schmerz, Verlust, Ausdauer und Vertrauen auseinandersetzt. Die Ebene der Zeit(-erfahrung) und der Umgang mit dem eigenen Körper sind weitere Faktoren, die ihr Werk eindrücklich werden lassen. Seit mehr als fünfzig Jahren reagiert Abramović auf die sie umgebende Welt und bedient sich dabei ihres Körpers und ihrer Energie als künstlerisches Ausdrucksmittel. Mit ihren physisch und mental stark fordernden Performances – von gewaltsamen und riskanten Aktionen bis hin zu eher stillen Begegnungen mit dem Publikum – hat sie sich in die Kunstgeschichte eingeschrieben…

(Auszüge aus der Pressemappe der Bundeskunsthalle Bonn)

 

aus der Ausstellung "The Cleaner" Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

aus der Ausstellung „The Cleaner“ Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

 

Die Ausstellung ist geprägt von verschiedenen Geräuschen der per Video oder Tonband aufgezeichneten Performances der Künstlerin Marina Abramovic. Da ist zum Beispiel das Klopfen des Messers, dass sie zwischen ihre Finger sticht. Da ist der Schrei, der bis zur Endlichkeit ausgereizt wird… Gleichzeitig ist die Stille präsent und fühlbar, zum Beispiel während die Künstlerin und ein Esel sich in die Augen schauen, während Marina Abramovic und ihr früherer langjähriger Lebensgefährte und künstlerischer Partner Ulay sich mit einem gespannten Bogen gegenüber stehen/ lehnen. (hier ein Link zu meinem Besuch einer Ausstellung des Künstlers Ulay: Happy Birthday Ulay!)

 

Linsen und Reiskörner in der Ausstellung "The Cleaner" Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

Linsen und Reiskörner in der Ausstellung „The Cleaner“ Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

 

Darüber hinaus wurde man als Besucher*in eingeladen, selbst aktiv zu werden. Zu Beginn war für mich die Frage, ob ich den Durchgang wähle, in dem sich zwei nackte Frauen gegenüberstehen, oder nicht. Dies war eine der Re-Performences durch junge Künstler*innen, die bei Marina Abramovic gelernt haben. (Hier findest Du Aufnahmen der Original-Performance mit Ulay aus dem Jahre 1977.) Ich bin hindurch gegangen und muss sagen, dass es spannend war, mich damit zu beobachten: Vorab die inneren Überlegungen, dann die Entscheidung, dann den Moment abwarten und entschlossen – jetzt…

Dann saß ich auf einem Holzstuhl, der mit Bergkristallen an der Rückseite der Lehne bestückt war, schloss die Augen und konzentrierte mich auf meinem Atem, nahm die Umgebung war, tauchte ins Innere ab…

Abschließend nahm ich an der riesigen Tafel Platz, in deren Mitte Reiskörner und Linsen liegen, ringsherum Blätter und Stifte… Handy und Tasche ins Schließfach, Kopfhörer auf und Ruhe… So saß ich dort und zählte… und zählte…

 

Schließfächer am Rande in der Ausstellung "The Cleaner" Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

Schließfächer am Rande in der Ausstellung „The Cleaner“ Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

 

Kopfhörer am Rande in der Ausstellung "The Cleaner" Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

Kopfhörer am Rande in der Ausstellung „The Cleaner“ Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

 

Kopfhörer am Rande in der Ausstellung "The Cleaner" Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

Kopfhörer am Rande in der Ausstellung „The Cleaner“ Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

 

Es gab weitere Möglichkeiten, die allesamt eine großartige Möglichkeit waren, zu experimentieren, zu spielen, sich selbst zu beobachten, sich herauszufordern… Daher würde sich auch ein mehrmaliger Besuch der Ausstellung lohnen, um alles in sich aufnehmen zu können. Weitere Re-Performances wurden und werden präsentiert.

Ja, die Auseinandersetzungen mit Marina Abramovic erfordern Mut, die Ausstellung erfordert Mut. Aber wenn man sich darauf einlässt, wirkt es sehr inspirierend und bereichernd.

 

Zählen in der Ausstellung "The Cleaner" Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

Zählen in der Ausstellung „The Cleaner“ Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

 

Folgende Filme kann ich Dir noch empfehlen.

Ein Bericht von 3sat über die Ausstellung und Interviews: Marina Abramovic. Vom Schmerz zur Freiheit.

Die Performance „The Artist is present“ im MoMa 2010 hat Marina Abramovic große Aufmerksamkeit verschafft. Sie sitzt im Museum und schaut den Menschen, die ihr gegenüber Platz nehmen, einfach in die Augen. Dieser Ausschnitt hier zeigt den Moment, als ihr Ulay nach Jahrzehnten der Trennung dort wieder begegnet.

 

ps: Als Marina Abramovic ihre Biografie veröffentlichte, habe ich schon einmal über sie geschrieben. Naja, ich habe mich wohl mehr aufgeregt… Muss ich meine Mutterrolle Opfern, um als Künstlerin erfolgreich zu sein? Auch andere Künstlerinnen äußerten sich hierzu. Rabenmütter und andere Fundstücke. Inzwischen verstehe ich, woher die Aussage der Künstlerin resultiert und aus welcher Zeit sie kommt. Feminist Avant-Garde… Aber diesen Aspekt teile ich nach wie vor nicht mit ihr.

 

Innehalten nach dem Besuch der Ausstellung "The Cleaner" Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

Innehalten nach dem Besuch der Ausstellung „The Cleaner“ Marina Abramovic, Foto by Doreen Trittel

 

Die Ausstellung ist noch bis zum 12. August 2018 in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen. Anschließend wird sie Florenz, Italien zu sehen und zu erleben sein. Ich bin froh und dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, nach Bonn zu reisen und meine Erfahrungen mit den Arbeiten der Künstlerin Marina Abramovic in der Ausstellung The Cleaner machen zu können.

 

Vom Persönlichen zum Universellen… – Interview

Vom Persönlichen zum Universellen… – Interview

’Untitled’, Sehnzucht, 2015, (c) Eva Gjaltema

 

Die Arbeiten der Künstlerin Eva Gjaltema sind nicht nur sehr persönlich, sondern strahlen auch eine eigene Sensibilität und Melancholie aus. Eva lebt und arbeitet seit mehreren Jahren in Berlin. Ursprünglich kommt sie aus den Niederlanden. Ihre Spezialität sind Polaroids und Fotocollagen.

Manchen meiner Leser*innen ist die Künstlerin nicht unbekannt. Das erste Mal sind wir uns im Frühjahr 2016 in der Gruppenausstellung begegnet, in der wir beide vertreten waren. Später lernten wir uns im Rahmen des „ETBK.Erfolgsteam Bildende Künste“ kennen und haben intensiv zusammengearbeitet. Es folgten weitere Ausstellungen. Ein ganz besonderes und sehr bereicherndes Erlebnis war die Ausstellung „Macht der Erinnerung“, als wir uns eine dunkle, graue Zelle im ehemaligen Frauengefängnis teilten. Daran denke ich sehr gern zurück. 

 

‚Untitled’, Sehnzucht, 2015, (c) Eva Gjaltema

‚Untitled’, Sehnzucht, 2015, (c) Eva Gjaltema

 

Aber nun zurück in die Gegenwart. Liebe Eva, danke, dass Du Dir heute Zeit für meine neugierigen Fragen nimmst. Ich steige gleich mal persönlich ein: Was ist für Dich der Reiz am Persönlichen, am Autobiografischen in der Kunst? Gibt es für Dich eine Grenze zum Privaten?

Über 18 Jahre fotografiere ich meine Umgebung. Ich habe am Anfang wirklich alles fotografiert, was mich persönlich interessiert hat, viel Straßenfotografie und Porträts und alles noch analog. Ich habe dann während meines Studiums ‚Dokumentar Fotografie’ an der Kunsthochschule festgestellt, dass ich nur große Aussagen über mich selbst machen kann und nicht über Andere. Ich glaube nicht an objektive Berichterstattung. Ich habe dann als Abschlussarbeit mein erstes großes autobiografisches Projekt präsentiert. Ich habe mich endlich getraut, eine Installation über meine Kindheitserinnerungen zu machen, und dabei festgestellt, dass ich mit dem Persönlichen authentisch sein kann.

Klar gibt es immer Grenzen zum Privaten. Ich mag z B. keine Selbstporträts machen. Ich definiere mich selbst in meiner Umgebung. Ich finde es wichtig, ehrlich und offen sein zu können, und nutze die Fotografie als Medium, um Sachen zu verstehen und zu verarbeiten. Ich möchte niemanden direkt verletzen, aber manchmal wenn man offen ist, werden eventuell Grenzen von anderen übergangen, aber ich übernehme die komplette Verantwortung dafür, beschuldige niemanden, es bleibt am Ende ja meine persönliche Erfahrung, die universell sein kann.

 

‚Big Baby IV’, Interconnection, 2014, (c) Eva Gjaltema

‚Big Baby IV’, Interconnection, 2014, (c) Eva Gjaltema

 

Uns verbindet beide nicht nur, dass wir Künstlerinnen sondern auch Mütter sind. Wir haben schon oft über die Herausforderungen auf dem Kunstmarkt für uns Frauen und insbesondere für uns Mütter gesprochen. Was wünschst Du Dir? Was würde Dir helfen, um alles gut unter einen Hut zu bekommen, wie man so schön sagt?

Das ist eine sehr wichtige und aktuelle Frage. Ich bekomme immer wieder auf Foren mit, dass die Kunstfotografie eine Männerwelt ist und dass sie sich wenig verändert. Dieses Jahr waren 80% der Ausstellenden bei dem größten Fotofestival der Welt, Rencontres d’Arles, Männer. 

Ich wünsche mir mehr Mut von allen Seiten – von den Künstlerinnen selbst, von den Kuratoren, von den Geldgebern. Ich wünsche mir das Frauen und Männer aktiv andere Frauen und ‚Minderheiten’ unterstützen und dass wir besser verdienen werden, weil es leider eben so ist, dass wir Frauen in der Kunst viel weniger verdienen als Männer.  Es würde mir helfen, wenn es konkret mehr Stipendien und Residencies für Künstlerinnen mit Kinder geben würde und dass die Kunstwelt Kinder und Familien mehr einbezieht.

 

‚Untiteld’, Sehnzucht: The Remix, 2016, (c) Eva Gjaltema

‚Untiteld’, Sehnzucht: The Remix, 2016, (c) Eva Gjaltema

 

Dein aktuelles Projekt ist ein Kunstbuch, ein Kunstobjekt. Du hast Dich damit schon lange Zeit beschäftigt und möchtest es jetzt auf die Welt bringen. Kannst Du uns Dein Vorhaben kurz beschreiben?

Also, ich habe mich mehrere Jahre mit dem Thema ‚Muttersein als Identität‘ beschäftigt. Ich selbst war überwältigt von dieser großen Veränderung in meinem Leben, neben meiner Immigration in ein anderes Land. Weil ich meine Gefühle verstehen wollte, habe ich angefangen was ich gut kann, fotografieren, und das erste Mal habe ich mit Collagen experimentiert. Seit 10 Jahren schon habe ich den Traum, meine Arbeit in einem Künstlerbuch zu präsentieren, als intime mini Ausstellung so zu sagen. Ich liebe Fotobücher und habe schon mehrere gesammelt. Dabei merke ich, dass ich sie immer wieder anschaue und in deren Geschichten eintauche. Ich finde das Medium intim und passend für meine Projekte. Nur habe ich mich bisher noch nicht getraut, es zu machen, weil es so wahnsinnig viel Arbeit ist und sehr kostbar leider auch. Deswegen habe ich das erste Mal eine Crowdfunding-Aktion gestartet und bin schon gut auf gutem Wege! Es sind nur noch 26 Vorbestellungen auf mein Kunstbuch möglich.

 

spreadsheets dummy ‚The First Three Years’, (c) Eva Gjaltema

spreadsheets dummy ‚The First Three Years’, (c) Eva Gjaltema

 

Liebe Eva, hab vielen lieben Dank. ich freue mich sehr, dass Du Dich auf dieses Interview eingelassen hast. Dies sind auch Themen, über die wir schon oft gesprochen und uns darüber ausgetauscht haben. Danke, dass meine Leser*innen einen Einblick in Deine Kunst und einen kleinen Blick hinter die Kulissen bekommen haben. Dankeschön.

Wenn Du Eva Gjaltema bei ihrem künstlerischen Projekt unterstützen möchtest, kannst Du Dir verschiedene Vorteile sichern – zum Beispiel ein Postkarten-Set in limitierter Auflage oder eines der wenigen Exemplare des Kunstbuches selbst. Schau einfach mal hier hinüber. Dort sind alle Angebote aufgelistet und Eva stellt Dir ihr Vorhaben auch in einem Video vor. Bis zum 1. August 2018 kannst Du dabei sein.

Hier geht es zur Crowdfunding-Aktion von Eva Gjaltema.

Wie Eva schon sagte, es sind nur noch 26 Exemplare bis zum Erfolg der Kampagne… Sichere Dir eines der Kunstobjekte, Kunstbücher.

 

speadsheet dummy ‚The First Three Years’, (c) Eva Gjaltema

speadsheet dummy ‚The First Three Years’, (c) Eva Gjaltema

 

Diese Beiträge mit unseren gemeinsamen Projekten/ Ausstellungen könnten Dich auch interessieren: 

Die wunderbaren Bilder meiner Zellengenossin. | Auf Wiedersehen, Gefängnis! (Macht der Erinnerung, 2017)

Komm mit! Heute hier: Kontrapunkt bei 48-h-Neukölln (Textur in den Schatten sehen, 2017)

Immer wieder gut: Wein & Kunst (Spring explosion, 2017)

Stille und kraftvolle Wahrnehmung von Familie (mein Besuch der Ausstellung ‚Quietude‘, 2017)

Auf einen Rundgang (Mutabor, 2017)

 

Ich freue mich schon sehr auf das Kunstbuch von Eva Gjaltema und werde berichten…