Doreen, du bist so mutig.

Selbstporträt, 2019 (c) Doreen Trittel

 

Doreen, du bist so mutig. Diesen Satz habe ich schon öfter gehört. Doch jedes Mal bin ich wieder erstaunt und frage mich: Bin ich das wirklich? Zweifel kommen auf. Mir fallen Dinge ein, die ich mich (noch) nicht traue, wo mit der Mut fehlt. Auch wenn ich auf meinen Weg zurückschaue, kommen mir Momente in den Sinn, in denen ich Angst hatte, richtig Angst. Momente, in denen mir die Wahrheit begegnete, in denen meine innere heile Welt zusammenbrach.

Mut & Freiheit

Ja, Freiheit, erfordert Mut. Die Freiheit, sich von der inneren heilen Welt zu verabschieden. Die Freiheit, sich auf den Weg zu sich selbst zu machen. Die Freiheit, in die Selbstverantwortung zu gehen. Die Freiheit, die Vielfalt der Wahrheiten zu betrachten. Die äußere und die innere Freiheit brauchen Mut.

 

Selbstporträt von Doreen Trittel mit Schmetterlingen auf einem Tuch im Hintergrund

Selbstporträt, 2015 (c) Doreen Trittel

 

Angst & Berufung

Was hatte ich für eine Angst, als das Thema Stasi etwa 25 Jahre nach dem Fall der Mauer in mein Leben kam. Vorher hatte ich die Tätigkeit meines Vaters beim Ministerium für Staatssicherheit erfolgreich verdrängt. Ich folgte dem Gehorsam, keine Fragen zu stellen. Ich saß in Vorträgen, habe Dokumentationen über die Stasi gesehen… Aber das hatte alles NICHTS mir zu tun. Doch dann war das Thema Stasi ganz nah und es wurde sehr persönlich für mich. Mit der Auseinandersetzung mit meiner Familiengeschichte kamen auch der Nationalsozialismus und der 2. Weltkrieg in mein persönliches Leben. Alles, was ich bisher darüber gelernt, gelesen, gesehen und gehört habe, berührte mich nun tief im Innersten. Plötzlich erkannte ich mich als Stasi-Kind und Kriegsenkelin.

Dass ich die Themen, die mit Erinnerungen und Veränderung zu tun haben, mit Hilfe meiner Kunst nach außen tragen werde und tatsächlich trage, daran hatte ich nie einen Zweifel. Etwas in mir sagte schon sehr früh: Das musst du tun! Das ist deine Aufgabe! Mein langjähriges Suchen, auch als Kreative, hatte an dieser Stelle ein Ende. Plötzlich lag die Antwort auf meiner Hand. ABER was hatte ich für eine Angst, als ich wusste, jetzt ist der Moment gekommen, öffentlich auch über meine Erfahrungen als Stasi-Kind zu sprechen. Durch diese Tür zu gehen, war sehr schmerzvoll, schonungslos, tränenreich und voller Erkenntnisse. Doch es gab kein zurück, nur ein nach vorn und, hey, ich habe es geschafft. Ich habe diese und viele andere Türen schon durchschritten. Diese Erfahrungen tragen mich.

 

Selbstporträt von Doreen Trittel mit Schmetterlingen auf einem Tuch im Hintergrund

Selbstporträt, 2015 (c) Doreen Trittel

 

Zweifel & Begegnungen

Aber wie oft begegnen mir Zweifel? Wie oft spüre ich die Wut, mich mit diesen Themen auseinander setzen zu müssen? Warum gerade ich?! Wer möchte das hören?! Wer möchte sich mit der Vergangenheit beschäftigen?! Wer kann es aushalten, dass ich versuche, dieses Schweigen zu brechen?! Wie oft begegnete ich den Grenzen anderer Menschen, auch engen Freunden? Das tut mit unter sehr weh. Ich habe gelernt zu erkennen, dass diese Grenze nichts mit mir zu tun hat. Und doch ist es immer wieder eine Herausforderung. Aber dann begegne ich Menschen, die mich in meinem Sein und Tun bestärken, die mir Mut machen, Menschen, die mich spiegeln, und voranbringen. Ich fühle mich von ihrer Wertschätzung, sei es durch kurze Kommentare oder durch intensive Gespräche, getragen. Ich sehe Menschen, die mutig ihren Weg gehen, die durch ihr Sein und Tun Mut machen.

 

Selbstporträt von Doreen Trittel , Lachen

Selbstporträt, 2019 (c) Doreen Trittel

 

Gemeinschaft & Offenheit

Mit #gemeinsamistdasneueEgo habe ich gemerkt, dass es noch viele andere Menschen gibt, denen es, egal welches Thema sie in die Welt tragen, ähnlich geht. Uns begegnen Zweifel, Unsicherheiten und Ängste, aber wir sind damit nicht allein. Früher konnte ich mich den Menschen nicht so tief öffnen und vor allem nicht, ungehemmt auf sie zu gehen. Heute weiß ich Menschen in meinem Netzwerk, in meinem Freundeskreis und in meiner Familie, denen ich ohne meinen Mut nie begegnet wäre, die ich ohne meinen Mut nie kennengelernt und in mein Leben gelassen hätte. Ich kann mir ein Leben ohne tiefe und wertschätzende Begegnungen, durch einen ehrlichen Austausch und einer liebevollen Unterstützung nicht mehr vorstellen. Es fühlt sich unglaublich gut an, Gemeinsamkeiten und Verbindendes zu entdecken, sich gegenseitig zu helfen, ohne sich selbst aufgeben zu müssen. Es fühlt sich unglaublich gut an, da zu sein und gesehen zu werden.

Wie geht es Dir damit?

Wo stehst Du gerade? Suchst Du etwas und weißt vielleicht nicht, wonach? Du bist unsicher und hast Zweifel, Deiner Mission zu folgen, der Welt Dein Thema in voller Blüte zu zeigen? Kannst Du Anregungen, Unterstützung und Zuversicht gebrauchen? Lass Dich von uns inspirieren und lass Dir von uns Mut machen. Denn ohne Dein Puzzleteil ist das Bild dieser Welt nicht vollständig.

Wir

Wir, das sind über 50 Referent*innen beim Online-Kongress #gemeinsamistdasneueEgo. Die Themen sind vielfältig: Kreativität, Spiritualität, Technik, Selbstvertrauen, Löwinnenkraft, Coaching, Familie, Business, Lebensfreude… Du kannst Dir Deinen eigenen Blumenstrauß zusammenstellen und konkrete Anregungen, viel Wissen, ehrliche Tipps, offene Erfahrungen und befreiende Erkenntnisse holen. Ich möchte Dir als Puzzleteil dieses Kongresses zeigen, wie Du mit Hilfe von Collagen innehalten und quer denken kannst. Die Veränderung beginnt bei Dir selbst.

Im Rahmen der Vorbereitungen habe ich mit einigen Referentinnen schon sprechen und mich mit ihnen austauschen können. Zwei Gespräche findest Du auf meinem YouTube Kanal.  Dort erfährst Du, was wir mit #gemeinsamistdasneueEgo verbinden und was wir uns für Dich wünschen. Ich erzähle Dir auch, woran ich als erstes Denken musste, als ich von #gemeinsamistdasneueEgo erfuhr.

Hier kannst Du Dir Deinen kostenfreien Zugang sichern: #gemeinsamistdasneueEgo Einfach auf den Link klicken und Du kommst zu weiteren Informationen, allen Referent*innen und zur Anmeldung.

Zu Deiner Info: Deine Teilnahme an der Interview-Woche des Online-Kongresses ist kostenlos. Solltest du später das Ticket für die Workshop-Woche mit über 50 Live-Workshops erwerben, werde ich am Verkaufspreis beteiligt. Dein Kaufpreis für das Workshop-Ticket ändert sich dadurch aber natürlich nicht.

 

Doreen Trittel beim Online-Kongress #gemeinsamistdasneueEgo

Doreen Trittel beim Online-Kongress #gemeinsamistdasneueEgo

 

mutig

Während ich jetzt die letzten Zeilen schreibe und ich gleich auf veröffentlichen klicke, spüre ich, wie sich die Angst anschleichen und die Zweifel ein Veto einlegen möchten… Ich atme noch einmal tief ein und aus, mache eine kurze Pause… Ich kenne diesen Moment und sage: Hallo. Meine Erfahrungen bestärken mich und mit dem Gedanken, mit dem Gefühl von #gemeinsamistdasneueEgo sage ich Ja zu Dir und meinem Puzzleteil für Dich. Ja, genau, für Dich. Und wenn das mutig ist, ja, dann bin ich mutig. Und Du bist es auch!

 

 

#gemeinsamistdasneueEgo Online-Kongress, 6. bis 17. Mai 2019

#gemeinsamistdasneueEgo Online-Kongress, 6. bis 17. Mai 2019

 

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Schubladen, die nicht passen – Im Gespräch mit Gisela Backe

Schubladen, die nicht passen – Im Gespräch mit Gisela Backe

 

Schubladen, die nicht passen – Erfahrungen mit Perspektiven

Im Gespräch: Gisela Backe

 

Powerfull Coaching For Free Minds: Als Coach bestärkt Gisela Backe Frauen, ihre Berufung zu finden und ihre schöpferische Kraft zu leben. Dies verbindet sie auch mit kreativen Sessions, in denen ihre Klientinnen Silber in Symbole verwandeln.

 


Hinweis: Beim Anklicken des Videos, wird eine Verbindung zu YouTube hergestellt.

 

Gisela Backe hörte ich das erste Mal in einem Interview des eigenstimmig Podcast. Das war im vergangenen Jahr während einer Zugreise nach Bonn. Ich war von ihren Worten, wie sie den Prozess der Transformation im kreativen Tun beschreibt, berührt. Ich erkannte eigene kreative Prozesse und Veränderungen. Das musste ich ihr gleich schreiben und so kamen wir in Kontakt. Dabei tauschten wir uns auch über unsere jeweiligen Erfahrungen mit unserer ostdeutschen Herkunft aus. Ich freue mich, dass Gisela uns im Rahmen meiner Interview-Reihe zum 30. Jahrestag des Mauerfalls von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen erzählt.

In Ost und West verwurzelt

Gisela Backe kommt aus Dresden und war bei den Montagsdemonstrationen 1989 mit dabei. Später sind ihr das Ostdeutsche und das Deutsche sein im Ausland begegnet. Heute lebt Gisela seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Mannheim und ist hier zu Hause.

„Was ich nicht habe mit ihnen, ist eine gemeinsame Geschichte.“

Bunte Schubladen

Wir sprechen nicht nur über Schubladen und Vorurteile, sondern auch über Dialekte, Demonstrationen, Irritationen, Offenheit und Neugierde, über Einladungen und Begegnungen.

„Weil ich um meine Schubladen weiß, kann ich sie ganz weit öffnen.“

 

Offenheit, Zitat von Gisela Backe, 2019, by Doreen Trittel

 

Herzlichen Dank

Ich freue mich sehr, dass Gisela ihre Geschichte und Erkenntnisse mit uns geteilt hat. Von Herzen: Dankeschön!

 

Danke Gisela Backe, (c) Doreen Trittel

 

Gesprächsreihe

Dieses Video erscheint im Rahmen meiner Gesprächsreihe anlässlich des 30. Jahrestages des Mauerfalls in 2019. Weitere Gespräche & Aufzeichnungen findest Du hier: 30 Jahre Mauerfall – Video-Interviews. Andere Beiträge – Kunst, Texte und Empfehlungen – zum diesjährigen Jubiläum gibt es hier.

Folgende Interviews sind bereits erschienen:

#interviews30Jmauerfall #gespräche30Jmauerfall #doreentrittel30Jmauerfall

 

Sei mit mir gespannt auf die folgende Geschichte und Impulse. Ich freue mich auf das folgende Interview.

Von Mythen und Entlastungserzählungen – Ein Buch

Von Mythen und Entlastungserzählungen – Ein Buch

Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass

Ein Buch** von Ines Geipel (Werbung ohne Auftrag)

Im Roten Salon der Volksbühne in Berlin stellte Ines Geipel im März 2019 ihr neues Buch „Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass“ im Rahmen einer Gesprächsrunde vor. Mit dabei waren Roland Jahn, Journalist und Leiter der Stasiunterlagenbehörde BStU, und Jens Bisky, Journalist und Autor, der auch durch den Abend führte.

Ines Geipel erinnert in diesem Buch an ihren jüngeren Bruder, der im vergangenen Jahr überraschend starb. Gleichzeitig behandelt sie historische und gesellschaftliche Themen des Nationalsozialismus und der DDR, die eng mit ihrer Familiengeschichte verwoben sind. Ines Geipel ist 1960 in Dresden geboren. Ihre Eltern waren Kriegskinder. Ihr Großvater war aktives Mitglied der NSDAP und Funktionär. Ihr Vater leitete in der DDR als Direktor den Pionierpalast in Dresden und war gleichzeitig Stasi-Agent. Er hatte mehrere Identitäten und observierte Menschen in West-Deutschland. 

Jens Bisky stelle an dem Abend im Roten Salon interessante Fragen, die in mir nachklangen. Zum Beispiel ob die Vergangenheit in unserer Kindheit präsent war…

 

Ines Geipel, Jens Bisky, Roland Rahn (sitzend v.l.n.r.) bei der Buchvorstellung im Roten Salon, März 2019

Ines Geipel, Jens Bisky, Roland Rahn (sitzend v.l.n.r.) bei der Buchvorstellung im Roten Salon, Berlin im März 2019

 

In meiner Auseinandersetzung

In der Auseinandersetzung mit meiner Familiengeschichte komme auch ich nicht an der ostdeutschen und gesamtdeutschen Geschichte vorbei. Ich spüre, wie sehr meine Familie und meine Prägungen mit den politischen Systemen verwoben sind. Ja: Das Politische ist privat. Das Private ist politisch. Wenn ich mich mit meiner ostdeutschen Kindheit und meinen Erfahrungen als Tochter eines hauptamtlichen Mitarbeiters der Stasi beschäftige, komme ich auch am Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg nicht vorbei. 

Kurz vor der Buchvorstellung war ich an einem Wochenende in Weimar und besuchte die Gedenkstätte Buchenwald. Im Mittelpunkt standen meine Recherchen zum Speziallager Nr. 2, das in der Zeit von 1945 bis 1950 in der Sowjetischen Besatzungszone neben anderen als Kriegsgefangenenlager genutzt wurde – ein großes Tabu in der DDR. (Hierüber werde ich Dir noch in einem eigenen Blogbeitrag berichten.)

 

Von Mythen und Entlastungserzählungen

Ines Geipel schreibt in ihrem Buch vom Buchenwald-Mythos… Ich hatte mich bis dahin damit noch nicht beschäftigt. An diesem Beispiel wird mir einmal mehr bewusst, wie sehr wir Ostdeutsche, die in der DDR zur Schule gingen, mit einem falschen Geschichtswissen aufgewachsen sind und wie sehr uns dieses heute noch beeinflusst. (Diese Frage, ob es auch schon weitergegeben wurde bzw. wird, bleibt offen.) Ines Geipel beschäftigt sich mit dem Film „Nackt unter Wölfen“, ein Buch, das auch ich in der Schule gelesen habe und deren Geschichte mich sehr berührte. Erst heute hinterfrage ich auch das…

Es gibt viele Entlastungsgeschichten, wie Ines Geipel sie nennt, die noch in unseren Köpfen sitzen, die uns erzählt wurden und die wir selbst sogar erzählen, um nicht dahinter zu schauen. Doch es gibt noch viele Geschichten, die bis heute nicht erzählt sind, die wir erzählen und hören müssen, um zu sehen, was offengelegt wird.

 

Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass - Ein Buch von Ines Geipel, 2019

Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass ** von Ines Geipel – im Roten Salon bei der Buchvorstellung im März 2019, Foto by Doreen Trittel

 

Über das Buch hinaus

Das Buch, die Gesprächsrunde zur Buchvorstellung und die Interviews, die Ines Geipel in diesem Zusammenhang gibt, bringen mir neue Erkenntnisse und gehen tief. Ja, vieles hat auch mit mir zu tun. Es gab Passagen, bei denen ich Tränen in den Augen hatte. Ich finde Parallelen. Gleichzeitig erschließen sich mir eine neue Sichtweise in der Generation Mauerkinder. 

Ines Geipel spricht die Themen an, die unbequem sind. Doch wir müssen uns unsere Vergangenheit und unsere Verstrickungen darin auf verschiedenen Ebenen schonungslos anschauen. Nur so können wir verstehen, wie wir als einzelne Person, als Familie und als Gesellschaft geworden sind, und Veränderungen herbeiführen, die wir in allem dringend nötig haben. 

Im Zuge der Buchveröffentlichung gibt Ines Geipel verschiedene Interviews, die ich als Ergänzung zum Buch gern empfehlen möchte. Hier eine kleine Auswahl:

 

 

Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass**
Ein Buch von Ines Geipel, erschienen im Klett-Cotta Verlag, 2019

Heute, am 23. April ist der Welttag des Buches, der 1995 von der UNESCO als Feiertag der Bücher und des Lesens sowie der Rechte der Autoren ins Leben gerufen wurde.

 

***

Diesen Blogbeitrag habe ich ohne Auftrag geschrieben. Das Buch empfehle ich, weil es mich persönlich bereichert.

** Der Link führt zu einem Partnerprogramm. Bei einem qualifizierten Verkauf kann mich eine kleine Provision unterstützen, für Dich bleibt der Preis gleich.

Ich bin doch nicht das einzige Stasi-Kind?

Ich bin doch nicht das einzige Stasi-Kind?

Beim Ministerium für Staatssicherheit – Stasi – arbeiteten 1989 etwa 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter. Viele hatten Familien, Kinder. Ich kann also nicht die Einzige mit den Erfahrungen eines Stasi-Kindes sein. Dies ist mir selbstverständlich nicht neu. Andere Stasi-Kinder haben auch schon ihre Geschichten öffentlich erzählt. Einige davon waren für mich mit dem Buch „Stasi-Kinder“ von Ruth Hoffmann eine wahre Offenbarung und halfen mir Antworten auf Ungereimtheiten zu finden. Doch es gab immer wieder Phasen in meiner Auseinandersetzung, in denen ich mich mit meinen Erfahrungen allein fühlte und auch manchmal noch fühle.

 

Allein…?

Ja, ich habe auch Freunde, deren Eltern bzw. ein Elternteil ebenfalls für die Stasi arbeiteten, doch für sie ist dies bei weitem nicht so ein Thema, wie für mich. In den Medien oder im www lese ich selten von ähnlichen Erfahrungen, wie meine. Aber ich weiß, dass ich nicht allein bin, und das verdanke ich – nicht nur, aber zu einem großen und intensiven Teil – der Selbsthilfegruppe „Deine (Groß-)Eltern bei der Stasi?“.

 

Ich hatte eine Mail geschrieben, mich dann aber nicht mehr gemeldet…

Ungefähr in der Zeit, als mir die Tätigkeit meines Vaters selbst bewusst wurde, gründete sich diese Selbsthilfegruppe. Ich hatte bei meinen Recherchen davon erfahren und stand kurz davor, mich zu melden bzw. ich hatte mich gemeldet. Doch dann hatte ich das Gefühl, dies ist (noch) nicht das Richtige für mich. Ich war dabei, meinen eigenen Weg zu finden und zu gehen und ich hatte noch nicht die Kraft für die Geschichten der anderen. Im vergangenen Jahr war es dann aber soweit, dass ich doch neugierig geworden bin und in mir spürte, jetzt möchte ich die Gruppe kennenlernen. Ich war bereit für die Geschichten der anderen.

 

1 Collage mit alten sw Fotografien

Neuordnung 3, 3/3, Collagen, (c) Doreen Trittel

 

Ich bin nicht allein und Du bist nicht allein…

An einem der letzten Treffen der Gruppe habe ich mehr von mir und meiner künstlerischen Auseinandersetzung erzählt. Davon habe ich kürzlich auch auf der Website der Selbsthilfegruppe berichtet. Heute möchte ich diesen Text auch hier, in meinem Blog für Dich veröffentlichen. Gleichzeitig möchte ich denjenigen bzw. derjenigen unter Euch, die dieses Thema auch mit sich tragen, Mut machen, sich Gleichgesinnte zu suchen, sich offen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Melde Dich gern bei bei. Melde Dich gern bei uns.

Auch wenn Du diese Erfahrung nicht hast, Dich aber ein anderes Problem bzw. Thema beschäftigt und Du das Gefühl hast, damit allein zu sein: Geh hinaus! Es gibt Menschen, die auch nach Austausch suchen, die sich mit Dir verbinden möchten.

 

1 Collage mit alten sw Fotografien

Neuordnung 3, 2/3, Collagen, (c) Doreen Trittel

 

Ausdruck für das Unterschwellige

Seit einigen Monaten bin ich in der Selbsthilfegruppe für Stasi-Kinder. Mein Vater war hauptamtlicher Mitarbeiter beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Dieses Thema beschäftigt mich seit etwa fünf Jahren, seit dem Zeitpunkt, als mir dies selbst bewusst wurde. Als Künstlerin, Bloggerin und Impulsgeberin sind meine ostdeutsche Herkunft und meine Erfahrungen als Stasi-Kind auch Teil meiner öffentlichen Sichtbarkeit. Ich spreche über diese Erfahrungen und zeige, wie ich mich mit diesen Prägungen auseinandersetze.

Im März 2019 hatte ich die Gelegenheit, von meinem Weg, den ich bisher gegangen bin, nicht nur zu erzählen, sondern auch einzelne Phasen und Erkenntnisse anhand eigener Arbeiten darzustellen. Hierfür hatte ich zum Beispiel meine Patchwork-Decke mitgenommen, die ich für eine Installation in einem ehemaligen Frauengefängnis mit den Worten „Opfer, Täter und Täter, Opfer“ bestickt und beschrieben hatte. Mit dabei war auch das Kissen mit der Aufforderung: „Steh auf!“ Denn Veränderungen beginnen bei uns selbst.

Größtenteils verwende ich in meinen Werken vorhandene Materialien und Erinnerungsstücke. In einer kleinen Übung haben wir eine unangenehme oder gar schmerzvolle Erinnerung symbolisch anhand einer Fotografie zerstört, um dann daraus wieder etwas Neues entstehen zu lassen, selbst zu gestalten. Ich freue mich, dass sich alle auf dieses Experiment eingelassen haben und dem kreativen Prozess gefolgt sind. Der eigenen Intuition zu vertrauen, kann auch eine Herausforderung sein. Wie ich mich dem Weg anvertraut habe, konnte ich auch an früheren Arbeiten mit alten Fotografien aus meinem Leben zeigen.

Meine künstlerische Auseinandersetzung findet oft ihren Ursprung in Wahrnehmungen und Fragen, die sich mir auf unterschiedlichen Wegen zeigen. In Bildern können Emotionen ihren Ausdruck finden, ohne dass schon Worte da sein müssen. Diese ergeben sich für mich während des kreativen Prozesses und im persönlichen Austausch.

Ich schätze die Gespräche in der Gruppe sehr, denn hier wissen die anderen, wovon ich rede und ich finde in ihren Erzählungen Worte für eigene Erfahrungen und Beobachtungen. Gleichzeitig zeigen sich so unterschiedliche Geschichten, die meine eigenen Sichtweisen bereichern.

 

1 Collage mit alten sw Fotografien

Neuordnung 3, 3/3, Collagen, (c) Doreen Trittel

 

Der Text unter der Überschrift „Ausdruck für das Unaussprechlich“ erschien erstmals auf der Website: SHG „Deine (Groß-)Eltern bei der Stasi?“ | www.stasi-kinder.de

Halt finden im Fluss

Halt finden im Fluss

veränderung

in der Bewegung liegen
immer wieder laufen
Tag für Tag den Morgen begrüßen
schmerzlich der Abschied
fern reisen nah zu Hause sein
dem Ich in die Augen sehen
im Schatten baden
lächelnd im Sommerregen weinen
mit den Tropfen tanzen
springen die Knospen
ins Leben

allein – miteinander
unter der Weite des Himmels
Halt finden im Fluss
Leben

2007, © Doreen Trittel

 

Eins mit den Wellen, Fotografie, digital sw, 2005, (c) Doreen Trittel

Eins mit den Wellen, Fotografie, digital sw, 2005, (c) Doreen Trittel

 

Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogaktion 28 Tage Content von Anna Koschinski. 

Alte Zeichen

alte zeichen

die zeichen der zeit
schweigen laut
schreien stumm

tragen spuren vieler jahre
leben die erinnerungen
die zeichen der zeit

2007, © Doreen Trittel

 

Spuren vom Konsum, 2009, (c) Doreen Trittel

Spuren vom Konsum, 2009, (c) Doreen Trittel

 

Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogaktion 28 Tage Content von Anna Koschinski. Gleichzeitig ist er ein Teil meiner Aktionen rund um das Jubiläum 30 Jahre Mauerfall.